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Neues Stiftungsrecht schafft mehr Freiheit
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13.06.2023
Am 1. Juli tritt das lang erwartete reformierte Stiftungsrecht in Kraft. Die neuen Regelungen räumen den Stiftungen einige Steine aus dem Weg, sorgen für mehr Klarheit und bieten Gestaltungspotenzial. Wir werfen einen Blick auf ausgewählte praxisrelevante Erleichterungen.
- Das neue Stiftungsrecht ermöglicht eine flexiblere und zeitgemäße Vermögensverwaltung.
- Realisierte Aktiengewinne dürfen auch für den Stiftungszweck verwendet werden.
- Die Business-Judgement-Rule gibt Stiftungen mehr Rechtssicherheit bei Haftungsfragen.
Die Lebenswirklichkeit von Stiftungen hat sich verändert, seit das alte Stiftungsrecht vor mehr als 100 Jahren in Kraft trat und bis zur aktuellen Neuregelung nahezu unverändert geblieben ist. Früher wurde eine Stiftung in der Regel durch ein Testament errichtet. Das Gesetz sollte vor allem sicherstellen, dass der Stifterwille für die Ewigkeit gewahrt bleibt – verankert in der Satzung. Heute ist die Situation anders: Die meisten Stiftungen werden zu Lebzeiten errichtet. Die Stifterinnen und Stifter stehen mitten im Leben, wollen erleben, was sie bewirken können und den Stiftungszweck aktiv mitgestalten.
Neue Perspektiven für notleidende Stiftungen
Das starre Stiftungsrecht in Verbindung mit der Niedrigzinsphase der letzten Jahre hat es vielen, vor allem kleineren Stiftungen schwer bis unmöglich gemacht, ihren Stiftungszweck zu erfüllen. Oftmals sind die Vermögenserträge weggebrochen, die eigentlich in gemeinnützige Projekte fließen sollten. So ist das neue Stiftungsrecht auch als Reaktion der Gesetzgebung auf diese Schieflage zu betrachten. Das Gesetz räumt künftig Stiftungen, die ähnliche Zwecke verfolgen, zum Beispiel die Möglichkeit ein, sich mit anderen Stiftungen zusammenzulegen oder sich gegebenenfalls sogar aufzulösen, wenn sie ihren Zweck nicht mehr erfüllen können.
Und es ist ausdrücklich zugelassen, eine Ewigkeitsstiftung in eine Verbrauchsstiftung umzuwandeln, wenn dies etwa aufgrund einer finanziell prekären Vermögenslage von Vorteil ist. Das neue Regelwerk eröffnet somit gerade notleidenden Stiftungen neue Perspektiven. So kann auch das Grundstockvermögen vorübergehend angetastet und das Stiftungsvermögen flexibler und zeitgemäßer verwaltet werden. Schon bei Errichtung kann die Gestaltung des Stiftungsvermögens derart erfolgen, dass neben dauerhaft zu erhaltendem Vermögen auch ein Verbrauchsvermögen eingebracht wird, das im Zeitablauf flexibel verbraucht werden kann.
Stiftungen müssen auch Risiken eingehen können
Eine wichtige Erleichterung für die verantwortlichen Stiftungsorgane: Um Erträge zur Zweckerfüllung zu generieren, können sie nun diversifizierter anlegen. "Unsicherheiten, ob Gewinne aus Aktiengeschäften für den Stiftungszweck verwendet werden dürfen, oder automatisch dem zu erhaltenden Vermögen zugeordnet werden, dürfte die Reform geklärt haben: Die sogenannten Umschichtungserlöse, also Aktiengewinne oder außerordentliche Erträge, können für die Zweckverwirklichung herangezogen werden – sofern das in der Satzung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird", erklärt Dr. Reinhard Berndt von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, mit der die Pax-Bank das jährliche Stiftungsforum veranstaltet. "Die meisten Stiftungen werden ihre Satzungen dahingehend bereits überprüft oder angepasst haben. Andernfalls besteht Handlungsbedarf", rät der Wirtschaftsprüfer.
Aus seiner Sicht müssen Stiftungen heute mehr Risiken eingehen können. "Stiftungen haben ja zwei grundlegende Ziele: das eine ist der Erhalt des Stiftungsvermögens, das andere die Zweckverwirklichung. Das muss sich bei der Vermögensanlage auch widerspiegeln. Wenn sie ausschließlich darauf ausgerichtet ist, das Vermögen zu erhalten und somit keine Erträge erwirtschaftet, ist offensichtlich das zweite Ziel verfehlt." Wolfgang Altenrath und Thomas Schumacher, Stiftungsexperten bei der Pax-Bank, verweisen ebenfalls auf den Vorteil, dass Stiftungen diversifizierter anlegen können: "Aktien sind als Anlageform auf lange Sicht unschlagbar. Davon können gerade Stiftungen aufgrund ihrer Ausrichtung auf die Ewigkeit profitieren. Sie haben tatsächlich die Zeit, zwischenzeitliche Kursverluste 'auszusitzen'."
Thomas Schumacher
Stiftungsexperte bei der Pax-Bank
Gerade Stiftungen können aufgrund Ihrer Ausrichtung auf die Ewigkeit in Aktienanlagen investieren. Auf lange Sicht ist diese Anlageform unschlagbar.
Mehr Rechtssicherheit durch die Business-Judgement-Rule
Die sogenannte Business-Judgement-Rule ist in diesem Zusammenhang aus Sicht des Experten eine weitere wichtige Errungenschaft im neuen Stiftungsrecht. Die Regelung gebe Stiftungsverantwortlichen gerade auf dem Gebiet der Vermögensanlage nun eindeutig mehr Rechtssicherheit und räume Unklarheiten aus. "Bisher kannte man die 'Business-Judgement-Rule' nur aus dem Aktiengesetz. Durch die Aufnahme im BGB kann ein Stiftungsvorstand für schlechte Verläufe nicht haftbar gemacht werden, wenn er eine Entscheidung im Bereich der Kapitalanlage getroffen hat und nachweisen kann, dass er sich an die Gesetze und die Satzung gehalten hat sowie auf der Grundlage angemessener Informationen ausschließlich zum Wohle der Stiftung meinte zu handeln. Die Rechtslage hat sich hier zwar gar nicht groß verändert, doch die Sorge der Haftbarmachung war weit verbreitet", erklärt Reinhard Berndt. "Auch deswegen haben in der Vergangenheit viele Stiftungsverantwortliche sehr konservativ angelegt und infolge dessen kaum Erträge erwirtschaftet. Die explizite Nennung der Business-Judgement-Rule im neuen Stiftungsrecht gibt ihnen nun mehr Sicherheit, wenn sie ihr Anlagenportfolio ein Stück weit progressiver ausrichten wollen – sofern sie ihren Informations- und Dokumentationspflichten nachkommen."
Save the Date: Kölner Stiftungsform am 18. Januar 2024
Merken Sie sich das nächste "Kölner Stiftungsforum" am 18. Januar 2024* vor. Wir laden Sie herzlich ein zum Austausch und zu Vorträgen über aktuelle Entwicklungen im Stiftungswesen. Wirtschaftsprüfer Dr. Reinhard Berndt von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO wird Ihnen an diesem Tag auch gerne Ihre Fragen zum neuen Stiftungsrecht beantworten.
*Anmerkung: Ursprünglich war der 19. Oktober 2023 als Termin für das Stiftungsforum vorgesehen. Damit wir zuvor noch mehr Erfahrungen mit dem neuen Stiftungsrecht sammeln können, haben wir uns entschlossen, den Termin auf den 18. Januar 2024 zu verschieben.
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