HINRICHS HANDELT: Erdöl – eine tickende Kohlenstoffbombe

ca. 6 Minuten Lesezeit

14.06.2022

Wenn wir den Klimawandel noch bremsen wollen, müssen wir neben Kohle auch schnellstens den Verbrauch von Erdöl bremsen. Das ist allgemein bekannt  – sollte man meinen. Doch was tun die Ölmultis? Sie investieren fleißig in die Ausbeutung neuer Vorkommen. Die Pax-Bank macht da nicht mehr mit.

  • Rund 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen auf das Konto von Erdöl.
  • Experten fordern daher, den Abbau zu bremsen und keine neuen Projekte mehr zu finanzieren, die uns langfristig an Erdöl binden.
  • Die Pax-Bank führt zum 1. August neue Anlagekriterien für Erdöl ein.

Nach langer, kontroverser Diskussion haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union Ende Mai auf ein Teilembargo gegen russisches Erdöl verständigt. In spätestens acht Monaten soll kein russisches Öl mehr in die EU gelangen – es sei denn, es kommt durch eine Pipeline. Mit diesem Kompromiss kamen die EU-Mitglieder dem notorischen Abweichler Viktor Orbán aus Ungarn entgegen.

So will die EU dem russischen Machthaber Wladimir Putin weitere finanzielle Mittel für seinen Feldzug gegen die Ukraine entziehen. EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von "maximalem Druck auf Russland", Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Deutschland, bezeichnete den Beschluss als Halbschritt. Aber immerhin ein Halbschritt in die richtige Richtung.

Erdölprofiteuren den Geldhahn zudrehen

Auch der Ethik-Beirat der Pax-Bank hat sich kürzlich mit dem heißen Thema Erdöl befasst. Die Frage: Darf die Pax-Bank noch in Unternehmen und Staaten investieren, die ihr Geld mit Erdöl verdienen? Das Ergebnis: Zum 1. August führen wir neue Anlagekriterien ein und verschärfen bestehende. Ab dann gelten folgende Grenzen:

  • Umsätze mit Erdöl: Umsatzgrenze 10 Prozent
  • Förderung von Erdöl: Umsatzgrenze 5 Prozent
  • Ölsand und Ölschiefer: Absenkung der Umsatzgrenze von 10 Prozent auf 0 Prozent

Liegen die Umsätze von Unternehmen oder Staaten oberhalb dieser Grenzen, dann schließen wir deren Aktien und Anleihen bei der Geldanlage aus. Wir drehen den Profiteuren des Erdöls gewissenmaßen den Geldhahn zu.

Ausschlaggebend für unsere Entscheidung war nicht der russische Angriff auf die Ukraine, auch wenn russische Unternehmen von unserem Ausschluss ebenso betroffen sind wie die Erdölindustrie in den USA, China, Europa oder wo auch immer. Der Anlass sind die verheerenden Auswirkungen, die Erdöl als einer der wichtigsten fossilen Energieträger auf den Klimawandel, die Umwelt und die Lebenssituation von Menschen haben.

Wir hatten den Ausschluss von Erdöl schon lange auf unserer Merkliste zur Erweiterung unserer Ausschlusskriterien. Bislang gab es noch einige Vorbehalte der Fondsmanager. Schließlich schränken wir damit unser Anlageuniversum weiter ein. Doch der Klimawandel fordert eben auch hier seine Konsequenzen. Zusätzlichen Rückenwind bekam das Thema durch eine (bislang noch unverbindliche) Vorgabe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) für nachhaltige Investmentvermögen.

Jutta Hinrichs

Die Volkswirtin leitet den Bereich Ethik, Nachhaltigkeit & Kommunikation bei der Pax-Bank. In dieser Funktion koordiniert sie alle Themen der Bank, die mit Ethik und Nachhaltigkeit zu tun haben. So ist sie unter anderem verantwortlich für die Erstellung der jährlichen Klimabilanz. Ein wichtiges Anliegen ist ihr das Thema ethisch-nachhaltiges Investment, das Wirtschaft und Ethik kombiniert und seit über 100 Jahren zur DNA der Pax-Bank gehört. Hinrichs hat VWL in Frankfurt und Bonn studiert und arbeitete danach unter anderem für den Bundestagsabgeordneten Gunnar Uldall, die Konrad-Adenauer-Stiftung sowie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Hier schreibt die Mutter von zwei Kindern regelmäßig über neue Aktivitäten der Pax-Bank aus dem Bereich Ethik und Nachhaltigkeit.

Angriff auf das Klimaziel

Lange stand Öl beim Beitrag zu den weltweiten CO2-Emissionen im Schatten von Kohle. Dabei gehen inzwischen mehr als 30 Prozent der Emissionen aus fossilen Brennstoffen auf sein Konto. Im Frühjahr wurde eine Studie der Stanford University veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Erdölförderung sogar noch klimaschädlicher ist als bekannt, da dabei mehr klimaschädliches Methan in die Atmosphäre entweicht als bisher angenommen.

Experten fordern seit Jahren, wie bei der Kohle auch die Förderung von Erdöl zurückzufahren und die vorhandenen Reserven nicht auszuschöpfen. So müssten 60 Prozent der bekannten Vorkommen im Boden verbleiben. Grönland hat im vergangenen Jahr bekanntgegeben, keine weiteren Lizenzen für die Suche nach Erdöl in der Arktis zu vergeben – ein Hoffnungsfunken.

Und was tun die großen Ölkonzerne? Sie investieren weiterhin gewaltige Summen in die Exploration neuer Ölfelder und gefährden damit das 1,5-Grad-Ziel. Das haben Journalisten der britischen Tageszeitung "Guardian" kürzlich in einem aufrüttelnden Artikel aufgedeckt. Darunter befinden sich gigantische Projekte, von denen jedes einzelne mindestens 1 Milliarde Tonnen CO2 nach sich ziehen würde. Wegen ihrer gewaltigen Sprengkraft für das Weltklima bezeichnet der "Guardian" diese Projekte als "Kohlenstoffbomben". Viele dieser Projekte befinden sich bereits in der Umsetzung. Durch die steigenden Ölpreise lohnen sich zunehmend aufwendige Verfahren zur Gewinnung von Erdöl, die gleichzeitig besonders umweltschädlich und riskant sind.

António Guterres

UN-Generalsekretär

In neue Infrastrukturen für fossile Brennstoffe zu investieren, ist moralischer und ökonomischer Wahnsinn.

Verdienen bis zum letzten Tropfen

Der "Guardian" wurde bei seiner Recherche von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald unterstützt. Diese hatte 2022 beim UN-Klimagipfel in Glasgow – also deutlich vor dem Ukrainekrieg – mit Partnern die "Global Oil & Gas Exit List" (GOGEL) präsentiert, eine Datenbank mit 887 Unternehmen, die für 95 Prozent der weltweiten Öl- und Gasproduktion stehen.

"Neue Infrastrukturprojekte für die Öl- und Gasindustrie gefährden die Ziele von Paris, da sie uns für die nächsten Jahrzehnte auf einen hohen Emissionspfad festlegen", sagte Katrin Ganswindt von Urgewald bei der Vorstellung der Liste. Sie fordert daher: "Die Finanzindustrie muss ihrer Verantwortung bei allen fossilen Energieträgern gerecht werden."

Genau dieser Verantwortung kommt die Pax-Bank mit ihrem Beschluss nach und geht den nächsten Schritt beim Ausschluss fossiler Energieträger. Klare Worte hat UN-Generalsekretär António Guterres zu den Expansionsplänen gefunden: "In neue Infrastrukturen für fossile Brennstoffe zu investieren, ist moralischer und ökonomischer Wahnsinn." Diesen Wahnsinn will die Pax-Bank nicht mehr unterstützen.

Ihr Ansprechpartner bei der Pax-Bank

Jutta Hinrichs Stabsstelle Ethik & Nachhaltigkeit

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