Nachhaltigkeit in der Wohlfahrt

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17.05.2023

In naher Zukunft müssen auch die großen Wohlfahrtsunternehmen Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Carina Uhlen, Geschäftsführerin des CSR-Kompetenzzentrums im Deutschen Caritasverband, wirbt dafür, sich frühzeitig mit den neuen gesetzlichen Verpflichtungen zu beschäftigen – und bietet konkrete Hilfe.

  • Das CSR-Kompetenzzentrum im Deutschen Caritasverband hat 2022 einen Leitfaden herausgegeben.
  • Der Leitfaden richtet sich an alle Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege, die in den kommenden Jahren Nachhaltigkeitsberichte verfassen müssen.
  • Welche Unternehmen ab dem Geschäftsjahr 2023 zur Abgabe eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet sind, regelt die Corporate Sustainability Reporting Directive.

Frau Uhlen, das CSR-Kompetenzzentrum im Deutschen Caritasverband hat einen Leitfaden zum Umgang der Freien Wohlfahrtspflege mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) des Rats für nachhaltige Entwicklung herausgegeben. Warum war das notwendig?
Carina Uhlen: Das CSR-Kompetenzzentrum beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit und Berichterstattung. Welche Unternehmen wann berichtspflichtig werden und was dabei genau gefordert ist, legt die europäische Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fest. In den letzten Jahren wurde immer deutlicher, dass wir mit der ESG-Berichtspflicht gesetzliche Veränderungen haben werden, die auch die Sozialwirtschaft betreffen. Vielen betroffenen Unternehmen ist noch gar nicht bewusst, dass kein Weg daran vorbeiführt. Der Countdown läuft bereits. In Anbetracht des Aufwands, den die Berichtspflicht erfordert, ist es für die Unternehmen sinnvoll, sich jetzt schon damit zu beschäftigen. Für unsere Branche haben wir deshalb einen Standard entwickelt, der nicht nur den ökologischen Bereich abdeckt, sondern darüber hinausgeht – im gesellschaftlichen Bereich, aber auch im ökonomischen Bereich. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung, der die Bundesregierung berät, hatte mit dem deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) schon eine gute Grundlage geschaffen. Die braucht aber für viele Branchen eine Art Übersetzung. Einige haben solche Leitfäden bereits erarbeitet, zum Beispiel die Energiewirtschaft oder die Stiftungen. Das wollten wir für die Freie Wohlfahrtspflege auch: einen nationalen Standard, der mit anderen Wirtschaftsbereichen vergleichbar ist.

Carina Uhlen

Geschäftsführerin des CSR-Kompetenzzentrums im Deutschen Caritasverband

Wir können als Sozialwirtschaft nicht Missstände ankreiden und Petitionen unterschreiben, ohne selber Fakten transparent zur Verfügung zu stellen.

Sie haben über ein Jahr an diesem Leitfaden gearbeitet. Er hat mehr als 120 Seiten. Wie sind Sie das Thema angegangen?

Carina Uhlen: Wir waren in sehr gutem Kontakt mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung und haben uns mit vielen Gremien, Wissenschaftlern und Netzwerken beraten. Dabei kamen konkrete Fragen wie der Aufbau eines nachhaltigen Immobilienmanagements auf den Tisch. Oder die Regulatorik, also die Anforderungen, die künftig auf unsere Einrichtungen zukommen: Wenn die Bank zum Beispiel eine CO2-Bilanz braucht, um einen Kredit für die Sanierung eines Wohnheims oder einen Neubau zu vergeben. Außerdem ging es um die Sicherung der Nachhaltigkeit in den Lieferketten. Und um die Wahrung der Menschenrechte, die zu unserem ureigensten Kernauftrag in der Freien Wohlfahrtspflege zählt: Können wir das wirklich nachweisen oder behaupten wir es nur? Berichtet werden muss auch über die sogenannten Anreizsysteme für Mitarbeitende. Anders als in anderen Branchen spielen monetäre Anreize in der Wohlfahrtspflege aufgrund der Tarifbestimmungen eine untergeordnete Rolle. Es gab also sehr viel Definitionsbedarf speziell für unsere Branche. In der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind 20 Themen genannt, über die zukünftig berichtet werden muss. Wir brauchen hier Fakten statt Prosa. Wir können als Sozialwirtschaft nicht Missstände ankreiden und Petitionen unterschreiben, ohne selber Fakten transparent zur Verfügung zu stellen.

Porträt von Carina Uhlen, Geschäftsführerin des CSR-Kompetenzzentrums im Deutschen Caritasverband. Innerhalb der Caritaslandschaft ist sie Ansprechpartnerin für Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltigkeit.
Carina Uhlen ist Geschäftsführerin des CSR-Kompetenzzentrums im Deutschen Caritasverband. Innerhalb der Caritaslandschaft ist sie Ansprechpartnerin für Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltigkeit.

Für wen genau ist der Leitfaden bestimmt?
Carina Uhlen: Für alle Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege, die in den kommenden Jahren Nachhaltigkeitsberichte verfassen müssen. Wer wann dazu verpflichtet ist, wurde in der CSRD gesetzlich festgelegt. Für diese Berichte ist in jedem Fall das obere Management zuständig. Je nach Größe der Unternehmen werden die Geschäftsleitungen dabei von Mitarbeitenden unterstützt, manchmal von ganzen Abteilungen.

Unterstützen Sie die Wohlfahrtsunternehmen bei diesem Thema noch durch andere Maßnahmen?
Carina Uhlen: Der Leitfaden ist sozusagen der erste Schritt. Er ist im Internet für jeden abrufbar. Es gibt auch gedruckte Exemplare, die wir zum Beispiel auf Veranstaltungen verteilen. Alle, die daran mitgearbeitet haben, tragen das jetzt in die Breite. Zusammen mit unserem Schulungspartner und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege bieten wir im Mai ein kostenfreies Webinar an. Wir beraten zurzeit mit vielen starken Partnern, unter anderem mit der Pax-Bank, was wir noch tun können für die berichtspflichtigen Unternehmen. Es ist in jedem Fall ein dynamischer Prozess, in dessen Verlauf noch einiges passieren wird.

ESG-Berichtspflicht nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Mit der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU ausgeweitet werden. Nach der Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten werden sämtliche bilanzierungspflichtigen großen Unternehmen im Sinne des europäischen Bilanzrechts verpflichtet, jährlich Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Belangen (ESG) zu veröffentlichen. Neben den bereits berichtspflichtigen Unternehmen werden ab dem 1. Januar 2025 für das Geschäftsjahr 2024 alle bilanzierungspflichtigen großen Unternehmen im Sinne des europäischen und deutschen Bilanzrechts unter diese Gesetzgebung fallen.
Zwei der drei folgenden Kriterien müssen dabei erfüllt sein:

  • 250 Mitarbeitende,
  • 20 Millionen Euro Bilanzsumme oder
  • 40 Millionen Euro Umsatzerlöse.

Über die Geschäftsjahre ab 1. Januar 2026 müssen börsennotierte KMU sowie kleine und nicht komplexe Kreditinstitute sowie firmeneigene Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen informieren (erste Berichterstattung 2027).

Ihr Ansprechpartner bei der Pax-Bank

Jutta Hinrichs Stabsstelle Ethik & Nachhaltigkeit

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