Christen im Irak: Werkzeuge des Friedens

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23.03.2021

Vom 5. bis 8. März 2021 besuchte Papst Franziskus den Irak und christliche Gemeinden in den nordirakischen Städten Mossul und Karakosch. In Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, feierte das Oberhaupt der Katholiken eine Messe, an der auch Pax-Bank-Kunde Pater Jens Petzold teilnahm, Prior eines christlichen Klosters im Nordirak. Wir haben ihn gefragt, was der Papstbesuch für die Christen im Irak bedeutet.

  • Für alle Religionen im Irak ist Papst Franziskus ein Symbol der Hoffnung.
  • Die christliche Bevölkerung im Mittleren Osten nimmt immer weiter ab.
  • Die Pax-Bank wickelt Zahlungen von Spenden- und Hilfsgeldern in den Irak ab. Auch das Kloster von Pater Petzold gehört zu ihren Kunden.

Wie haben Sie den Besuch erlebt und welche Eindrücke haben Sie gewonnen?

Pater Jens Petzold: Unsere Gemeinschaft Al-Khalil vom Kloster Deir Mar Musa in Syrien hatte schon vor einigen Jahren eine Audienz bei Papst Franziskus. Dort habe ich ihn persönlich kennengelernt. Genau wie damals waren auch in Erbil seine direkte Art und das spontane Lächeln prägend für die Begegnung mit den Menschen. Das ist bei der Bevölkerung gut angekommen. Nach seiner Ankunft in Erbil haben viele Menschen moslemischen Glaubens an der Straße auf Papst Franziskus gewartet, um ihn zu begrüßen. Auch sie haben sich über seinen Besuch gefreut und den Aufenthalt mit großem Interesse verfolgt. Wie schon Papst Johannes Paul II. ist Franziskus für die anderen Religionen im Irak ebenfalls ein Symbol für Einheit, Solidarität und Wiederversöhnung. Auch das Treffen mit Großajatollah Ali As-Sistani, dem wichtigsten schiitischen Führer im Irak, ist ein starkes Zeichen.

Welche Bedeutung hat der Papstbesuch für die Christen im Land?

Petzold: Papst Franziskus hat während seines Besuchs das Unrecht angesprochen, das den Minderheiten im Irak in den vergangenen Jahren widerfahren ist, und auch die großen Probleme mit der Korruption. Aber er hat uns Christen auch ein Programm vorgeschlagen, damit wir nicht in der Opferrolle verharren, sondern zu Werkzeugen des Friedens werden, die den unterschiedlichen Religionen dabei helfen aufeinander zuzugehen. Im Irak gibt es Christen in jeder ethnischen Gruppe, seien es Turkmenen, Kurden oder Araber. Deshalb können sie auch mit allen reden. Das ist eine besondere Position der Christen im Mittleren Osten. So ist auch die Kathedrale unserer Diözese in Kirkuk ein Treffpunkt für fast alle Teile der Gesellschaft, wo man sich relativ frei und ganz menschlich miteinander austauschen kann. Diese Räume zu schaffen, ist eine wichtige Aufgabe für die Christen hier.

Foto: Privat
Jens Petzold, Yousif Thomas Mirkis, Erzbischof von Kirkuk-Sulaymaniyya, und Pfarrer Ayman Hirmiz mit Gemeindemitgliedern im Marienkloster in Sulaymaniyya (v. l.).

Zur Person

Prior Jens Petzold (Foto links) eröffnete 2011 das Marienkloster in Sulaymaniyya im Nordirak. Wie in ihrem Stammkloster in Syrien will die Gemeinschaft von Mar Musa hier eine Begegnungsstätte für Menschen und Religionen schaffen. Nachdem die Terrormiliz IS 2014 die christliche Stadt Karakosch in der Ninive-Ebene angegriffen hatte, nahm Pater Petzold 200 Flüchtlinge in seinem Kloster auf.

Papstbesuch

Vatican News zeigt den Gottesdienst von Papst Franziskus im Franso-Hariri-Stadion in Erbil.

Wie würden Sie die aktuelle Situation der Christen im Irak beschreiben?
Petzold: Wie alle Minderheiten haben auch die Christen im Irak Fragen an die großen Gruppen der Sunniten und Schiiten im Land, ob es im Irak noch Platz für sie gibt und ob diese Vielfalt der Religionen gewollt ist. Die Situation ist im Moment relativ ruhig und hat sich für die Minderheiten auch mit der Hilfe verschiedener Hilfsorganisationen vor Ort verbessert. Aber es gibt noch viel Nachholbedarf, insbesondere für die Minderheiten der Jesiden oder der Shabak. Inzwischen leben nur noch etwa 500.000 Christen im Land und es werden immer weniger. Das ist ein Trend, der seit etwa 100 Jahren anhält und seit 2003 durch den Irakkrieg weiter beschleunigt worden ist. Da stellt sich natürlich die Frage, inwieweit die Kirche es geschafft hat, den Christen zu zeigen, welche Aufgabe sie vor Ort haben und warum es sinnvoll für uns ist zu bleiben. Wenn der Papst sagt "Ihr seid die Werkzeuge des Friedens", ist das eine Landmarke, aber was wir Christen im Irak jetzt daraus machen, ist eine andere Frage. Insofern sieht auch der Papst diesen Besuch nur als Etappe und nicht als Abschluss.

Welche Hoffnung haben Sie persönlich für die Zukunft der Christen im Irak?
Petzold: Es gibt viel zu tun, aber auch Hoffnung. Unser Marienkloster befindet sich in Sulaymaniyya, einer mit 300 Jahren vergleichsweise jungen Stadt im Norden Iraks mit rund 1,5 Millionen Einwohnern. Von Anfang an war Sulaymaniyya ein Handelsposten, der Menschen mit einer guten Ausbildung angezogen hat. Die Stadt hat eine Untergrund-Kulturszene, die einen immer wieder erstaunt. Die Atmosphäre ist sehr offen, und es gibt hier viele junge Menschen, die lesen, diskutieren und sich austauschen. Vielleicht kommen diese jungen Erwachsenen später in eine gesellschaftliche Position, in der sie neue Wege gehen werden. Sulaymaniyya ist definitiv ein Ort, in dem man Neues ausprobieren kann.

Foto: Privat
Pater Jens Petzold im Jahr 2015 mit Vertriebenen im Marienkloster in Sulaymaniyya.

Wie sind Sie und Ihre Gemeinschaft zur Pax-Bank gekommen?
Petzold: Unser Bischof Yousif Mirkis von Kirkuk bekam die Empfehlung über die französische Organisation Fraternité en Irak. Denn wir suchten eine vertrauensvolle Bank, die Projekt- und Spendengelder in den Irak abwickelt. Das hilft uns wirklich sehr, und so sind wir Kunden der Pax-Bank geworden. Auf diese Weise leistet sie einen Beitrag, christliches Leben im Irak zu erhalten.

Hintergrund: Religionen im Irak

Der Irak gehört zu den ältesten Siedlungsgebieten des Christentums. Die bedeutendste christliche Kirche im Land ist heute die chaldäisch-katholische (67 Prozent). Weitere sind die Kirche des Ostens, die syrisch-orthodoxe und syrisch-katholische Kirche sowie die armenisch-apostolische und armenisch-katholische Kirche. Hinzukommen wenige Gläubige anderer Kirchen, etwa der römisch-katholischen und reformierte Kirchen. Die religiöse Vielfalt im Irak ist groß: Neben den Christen gibt es weitere religiöse Minderheiten im Land wie Jesiden, Shabak, Mandäer, Kakai oder Zoroastrier. Die irakische Verfassung garantiert Religionsfreiheit, die streng genommen eher eine Kultfreiheit ist. Das heißt, man kann in seiner jeweiligen Religion feiern und beten. Allerdings darf kein Gesetz dem Islam widersprechen. Das führt immer wieder zu Diskriminierungen der Minderheiten.

Ihr Ansprechpartner bei der Pax-Bank

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