"Wir bleiben unseren Grundprinzipien treu"

ca. 5 Minuten Lesezeit

15.05.2019

Was ist Haltung? Und warum ist es auch für ein Unternehmen wichtig, diese zu vertreten? Über diese Fragen diskutiert Dr. Klaus Schraudner, Vorstandsvorsitzender der Pax-Bank, mit dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Prof. Thomas Sternberg.

Herr Prof. Sternberg, wir reden heute über das Thema „Haltung“. Welche Assoziationen verbinden Sie mit diesem Begriff?

Prof. Thomas Sternberg: Spontan fällt mir dazu ein: Festigkeit gegenüber der Verlockung nach dem schnellen Beifall und dem schnellen Ruhm, das Durchhalten von Prinzipien und Grundentscheidungen in allenthalben notwendigen Kompromissen.


Dr. Klaus Schraudner: Haltung, Prinzipien, Werte sind Begriffe, die immer mehr verwässern. Andererseits beobachte ich aktuell eine kleine Gegenbewegung, etwa die Schüler, die für den Klimaschutz demonstrieren. Es ist wichtig, dass wir offen für unsere christlichen Werte und die demokratischen Grundrechte kämpfen, denn bei vielen herrscht der Eindruck, diese seien selbstverständlich. Deswegen ist Haltung das Thema unseres Geschäftsberichts.

Prof. Thomas Sternberg | Copyright: Werner Schüring, Territory

Prof. Thomas Sternberg | Copyright: Werner Schüring, Territory

Warum ist es wichtig, Haltung zu zeigen?

Sternberg: Früher glaubte man, man könne alle ethischen Entscheidungen treffen, nachdem man abgewogen hat, welche Folgen das Handeln hat. Dann hat man gemerkt, dass es nicht so einfach ist. Man braucht so etwas wie Haltung oder Tugend. Ein Beispiel: Ich komme aus Münster. Dort spielt immer noch der sogenannte „ehrbare Kaufmann“ eine große Rolle. Ohne diese Ehrbarkeit als Grundlage könnte niemand Geschäfte abschließen, weil man immer Angst hätte, hereingelegt zu werden.

Kann man ein Unternehmen also nicht nur nach wirtschaftlichen Kennzahlen lenken?

Schraudner: Definitiv nicht. Das erleben Sie bei vielen Unternehmen, die am Ende abgestraft werden, weil sie aus reiner Gewinnmaximierungsabsicht gehandelt haben. Wir als Pax-Bank haben in unserer Satzung stehen, dass wir für die Förderung unserer Mitglieder da sind und damit der Kirche dienen. Und aus dieser Haltung heraus agieren wir auch. Das bedeutet nicht, dass betriebswirtschaftliche Zahlen für die Unternehmenssteuerung unwichtig wären, aber nicht auf der Ebene des Unternehmenszwecks.

Sternberg: Aber in der Praxis wird es ja schon kompliziert. Ein aktuelles Beispiel: Wie ist das mit unserem dritten Weg im Arbeitsrecht? Haltung berührt ja auch die Mitarbeiter. Kirchlich haben wir allzu lange nur am Eherecht geprüft, ob jemand nach kirchlichen Grundsätzen lebt oder nicht: verheiratet, geschieden, wiederverheiratet, nicht wiederverheiratet. In der Wirtschaft läuft die Prüfung der Übereinstimmung mit den Unternehmensprinzipien über Compliance. Wer immer wieder gegen die Regeln verstößt, kann nicht bleiben – zumindest in gut geführten Unternehmen. Könnte man als Kirche so etwas nicht aufnehmen? Das heißt, wir fragen nicht mehr danach, ob jemand katholisch verheiratet ist, sondern wir fragen: Trägt er die Ziele, die wir vom Glauben ableiten, mit? Das macht die Streitverfahren natürlich viel komplizierter.

Schraudner: Es fängt ja schon bei der Kultur an: Was heißt es überhaupt, ein christliches, ein katholisches Unternehmen zu sein? Welches Verhalten steht dahinter?
Thomas Sternberg: Ich bin ein Fan des dritten Wegs. Ich glaube nur, wir werden den dritten Weg nicht halten, indem wir darauf vertrauen, dass jede Personalentscheidung dadurch gedeckt wäre. Wir bewahren ihn nur, wenn wir ihn neu interpretieren – und uns dann auch an die eigenen Regeln halten. Die entscheidende Frage ist für mich: Bekommen wir Männer und Frauen, die bereit sind, die Unternehmensziele so zu verwirklichen, dass vielleicht am Ende eine Muslima die christlichste Krankenschwester ist, die ich mir vorstellen kann.

Schraudner:
Ich denke, das kann wunderbar funktionieren, da wir eine Botschaft haben und Inhalt.

„Die Glaubwürdigkeit der Kirche ist gefährdet“

Herr Prof. Sternberg, wie wichtig ist es Ihnen als Kunde, dass ein Unternehmen eine klare Haltung zeigt, etwa beim Thema Geldanlage?

Sternberg: Das ist zunehmend wichtig geworden. Wir haben uns im ZdK sehr stark beschäftigt mit der Frage, wie man verantwortlich mit Geld umgehen kann angesichts der Forderung nach internationaler Gerechtigkeit. Ich habe den Eindruck, gerade diese großen Themen werden auch über Symbole vermittelt. Hätte jemand vor 25 Jahren gesagt, dass der Verkauf von fair produziertem Kaffee in der Kirche einen Markteffekt hätte, wäre er ausgelacht worden. Inzwischen kann es sich kein Kaffeeröster mehr erlauben, nicht auf die Produktionsweise des Kaffees hinzuweisen. Ich glaube, das Gleiche ist möglich beim Thema ethisch-nachhaltige Geldanlage. Und da war ich echt begeistert, dass die Pax-Bank bei solchen Fragen immer mit dabei war.

Schraudner: Ich glaube, auch angesichts des technologischen Fortschritts ist es unglaublich wichtig, eine Haltung zu haben. Die Grundeinstellung ändert sich nicht, aber ich wende sie auf ein neues Thema an und entwickle mich damit weiter, beziehungsweise unsere Gesellschaft entwickelt sich weiter. Ein Beispiel ist für mich die künstliche Intelligenz. Und das ist meines Erachtens die entscheidende Botschaft: Wir bleiben unseren Grundprinzipien treu, wir übertragen sie nur in eine neue Welt.

Sternberg: Wobei es auch gut ist, den Kompass gelegentlich wieder einzunorden. Ich besuche seit 14 Jahren die Politikerexerzitien in Maria Laach. Es ist für mich fast unverzichtbar geworden, mal bewusst einen Stopp einzulegen, um zu prüfen: Passen meine Haltungen noch zu meinem Alltagsgeschäft? Denn die Abfolgen von Entscheidungen sind heute so schnell, dass man Phasen braucht, um diese wieder neu zu verordnen, will man seine Haltung bewahren.

Schraudner: Ich halte es auch für wichtig, immer wieder zu prüfen, ob der eigene Kompass noch stimmt, sonst wäre eine Haltung starr. Und Starrheit ist eine schlechte Tugend.

Sternberg: Ich glaube, dass die große Erschütterung über die Aufdeckung der großen Missbrauchsskandale auch damit zu tun hat, dass sie einen Bereich betrifft, in dem die Kirche mal eine Kompetenz hatte – eine Kompetenz, die sie seit den 60er-Jahren vollkommen verloren hat. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns in den nächsten Jahren mit der Sexualmoral beschäftigen. Wenn da bestimmte Haltungen, die geradezu eisern postuliert wurden, ohne dass es die Gläubigen noch erreicht, nicht angepasst werden, wenn nicht gesehen wird, dass die Welt sich weiterentwickelt hat, führt das zum totalen Zusammenbruch der Glaubwürdigkeit. Und es wird sehr viel Mühe bedeuten für alle, denen die Kirche wichtig ist, verlorenes Vertrauen Stück für Stück wiederzugewinnen.

Gerade im Fall von Religion und Kirche stehen kollektive und individuelle Haltung manchmal im Spannungsverhältnis. Was davon hat für Sie Vorrang?

Sternberg: Mein Ziel ist es nicht, möglichst viele Menschen in der Kirche zu halten. Ich denke, dass einige Bistümer gerade einen gravierenden Fehler machen, wenn sie so tun, als müsste die Kirche als solche Marketingkampagnen fahren. Wir wollen kein Waschpulver verkaufen. Mein Ziel ist die Präsenz des Gottesgedankens in unserer Gesellschaft, die Präsenz von Religion. Und ich bin fest davon überzeugt, dass diese Präsenz ohne Kirche schlechterdings nicht möglich ist. Wir helfen dabei, dass Menschen ihre Religion leben können, und zwar in einer Art und Weise, von der ich überzeugt bin, dass es eine angemessene und richtige ist.

Aber noch einmal: Habe ich als Mitglied der Kirche das Recht, in bestimmten Fragen eine andere Haltung zu vertreten?

Sternberg: Eine Kirche, bei der alle, die sich zu ihr zählen, das Gleiche geglaubt und gemacht hätten, hat es meines Wissens noch nie gegeben, und diesem Ziel sollten wir auch nicht hinterherlaufen. Getreu der alten Devise „Was man liebt, das kritisiert man auch“ sind für mich die besten Katholiken gerade unter denen zu finden, die ein kritisches Verhältnis zu ihr pflegen. Die letzte Instanz ist das Gewissen.

Schraudner: Entscheidend ist, den persönlichen Spielraum zu haben, ohne beliebig zu werden.

Spielt es dann überhaupt eine Rolle, welcher Religion ich angehöre?

Schraudner: Ich glaube, wichtig ist, dass Religion nicht fundamentalistisch und abgrenzend verstanden wird. Sich gegenseitig zu verstehen, ohne eigene Überzeugungen aufzugeben, zeichnet Religionen aus. Die Pax-Bank hat bewusst immer den interreligiösen Dialog hervorgehoben und fördert Menschen, die verbindend arbeiten.

Sternberg: Der interreligiöse Dialog mit dem Islam ist auch innenpolitisch eine unglaublich wichtige Frage. Ich bekomme Briefe aus bürgerlichen Kreisen mit abenteuerlichen Vorstellungen über den Islam. Eines der meistverkauften Sachbücher momentan ist das Buch von Sarrazin über den Islam. Dieses Buch bedient die diffusen Ängste in der Bevölkerung, wo man glaubt, der Islam überrolle Europa. Das ist ein großes Problem. Aber ich bin davon überzeugt, den Religionsdialog führt man am besten unter Menschen, die wissen, was Glaube ist. Deshalb schätze ich es sehr, dass sich die Pax-Bank an diesem Dialog beteiligt.

Prof. Thomas Sternberg

Wenn wir die Frage nach den Lebensbedingungen weiterhin so sträflich vernachlässigen, dann werden die Zäune um Europa nicht hoch genug sein können.

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit der Pax-Bank bei der Broschüre „Ethisch-nachhaltig investieren“, die das ZdK 2015 veröffentlicht hat?

Sternberg: Ich habe es als sehr angenehm empfunden, dass die Pax-Bank und die anderen katholischen Banken bereit waren, da mitzumachen. Für mich zeigt das Ergebnis, wie Menschen einen gemeinsamen Text verfassen können, die von ganz unterschiedlichen Positionen kommen, aber die etwas verbindet, nämlich eine gemeinsame Haltung.

Schraudner: Für uns ist das Teil unserer DNA. Daher ist es uns auch wichtig, das Thema der ethisch-nachhaltigen Geldanlage in der Kirche nach vorne zu treiben und eine gemeinsame Position zu entwickeln und weiterzuentwickeln.  

Sehen Sie darin auch eine Chance, die Pax-Bank für neue Zielgruppen zu öffnen? 

Schraudner: Wir werden damit sicher neue Kunden gewinnen, da viele Menschen ihr Geld bewusster anlegen wollen. Mit pax-investify können wir über das Internet ganz andere Zielgruppen ansprechen. Das werden wir auch intensiv tun und sehen schon erste Erfolge.

Was sind die nächsten Schritte?

Schraudner: Uns ist wichtig, dass wir insgesamt ethisch-nachhaltig aufreten, nach innen wie nach außen. Daher haben wir 2018 eine Mitarbeiterin im Vorstandsstab exklusiv für dieses Thema eingesetzt, um deutlich zu machen, dass es nicht nur um Anlagekriterien geht.

Herr Prof. Sternberg, wie sieht Ihre Vision beim Thema ethisch-nachhaltiges Investment aus?

Sternberg: Für mich ist die wichtigste Frage, ob es die Lebensbedingungen in Ländern, in denen nicht zuletzt unsere Produkte produziert werden, verbessert, damit die Menschen dort ein menschenwürdiges Leben führen können. Wenn wir die Frage nach den Lebensbedingungen weiterhin so sträflich vernachlässigen, dann werden die Zäune um Europa nicht hoch genug sein können. Sie werden von den Hoffnungsflüchtlingen eingetreten und wir wer den erleben, was es heißt, auf Kosten anderer Länder zu leben.

Schraudner: Genau deshalb haben wir uns ganz bewusst an der Klima-Kollekte beteiligt. Der Betrag, den wir dort als Ausgleich für unseren CO2-Ausstoß zahlen, wird im Anschluss über Misereor wieder in Entwicklungsprojekte in Afrika und ähnlichen Regionen investiert.

Ihre Ansprechpartnerin bei der Pax-Bank

Jutta Hinrichs Stabsstelle Ethik & Nachhaltigkeit

Das könnte Sie auch interessieren

Anlagestrategie - Institutionen müssen umdenken

Anlagestrategie - Institutionen müssen umdenken

Die Zinsen sind auf Rekordtief – und werden es wohl auf absehbare Zeit bleiben. Institutionelle Kunden müssen ihr Vermögen breiter aufstellen, damit es nicht von der Inflation aufgefressen wird.

mehr