„Die Welt verbessern wir nur in kleinen Schritten“

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10.03.2022

Sr. Maria Schneiderhan engagiert sich bereits seit rund 20 Jahren im Bereich der christlich-nachhaltigen Geldanlage. Die Ökonomin der Kongregation der Franziskanerinnen von Sießen im oberschwäbischen Bad Saulgau ist Mitglied des Ethik-Beirats der Pax-Bank. Im Interview spricht sie unter anderem über die Bedeutung des ethischen Investments für ihre Gemeinschaft und die Notwendigkeit, Kompromisse einzugehen.

  • Ein Meilenstein für ethisches Investment war die Veröffentlichung des Frankfurt-Hohenheimer Leitfadens 1997.
  • Viele kleine Schritte haben auf dem Weg zum Ziel schon einiges in Bewegung gesetzt.
  • Beim Engagement-Ansatz gibt es noch Luft nach oben.

Sie beschäftigen sich seit über 20 Jahren mit ethischem Investment, sind also eine Pionierin auf diesem Gebiet. Was verstehen Sie darunter und wie kam es damals zu der Beschäftigung mit dem Thema?


Sr. Maria Schneiderhan: Unter ethischem Investment verstehe ich eine Geldanlage, die wir als Ordensgemeinschaft ethisch verantworten können. Ethik ist ein weiter Begriff, Nachhaltigkeit genauso, aber für uns stellt sich immer die gleiche Frage: "Wie können wir unser Geld so anlegen, dass das Investment mit unserer Lebensform und unserem Leben vereinbar ist?" Mein erster Berührungspunkt mit dem Thema war die Veröffentlichung des Frankfurt-Hohenheimer Leitfadens 1997.

Das ist ein umfangreicher Kriterienkatalog für ethische Investments, der gemeinsam von Ökonomen, Philosophen, Ethikern und Theologen unter Federführung von Prof. Dr. Johannes Hoffmann entwickelt wurde.


Sr. Maria Schneiderhan: Was mich faszinierte: Wenn man die Welt umkrempeln möchte, denkt man an die ganz großen Schritte. Und man fragt sich, ob das geht oder nicht. Prof. Hoffmann sprach aber immer von der "kleinschrittigen Veränderung". Für mich bedeutet das: Wenn wir viele kleine Schritte machen, dann wird daraus ein großer Schritt, der schließlich Wirkung zeigt. Und kleine Schritte können wir alle machen. Und ich denke, das hat bisher schon einiges in Bewegung gesetzt.

Sr. Maria Schneiderhan

Sr. Maria Schneiderhan ist seit 40 Jahren in der Gemeinschaft des Klosters Sießen und in der Verwaltung tätig. Sie absolvierte zudem ein Fernstudium in BWL. Seit 1996 wurde sie mit wenigen Unterbrechungen immer wieder zur Ökonomin berufen. Die Ökonomin oder der Ökonom eines Klosters wird vom gewählten Leitungsgremium ins Amt berufen. Voraussetzung ist, dass die Kandidatinnen und Kandidaten Kenntnisse der allgemeinen Verwaltung sowie der Finanz- und Immobilienverwaltung mitbringen.

Welche Investmentkriterien sind denn für Sie und Ihr Kloster relevant?


Sr. Maria Schneiderhan: Zu Beginn haben wir uns gefragt: Unterstützen wir Firmen, die in Entwicklungsländern arbeiten und Menschen ausbeuten? Und auf welchen Wegen können wir mitbestimmen, wo unser Geld angelegt wird oder nicht angelegt wird? Wir haben uns dann selbst Kriterien überlegt, mit denen wir bestimmte Bereiche ausschließen, in denen wir unser Geld nicht anlegen wollen. Wir haben aber schnell gemerkt, dass es bei diesen Fragen kein Schwarz oder Weiß gibt, sondern auch Kompromisse gemacht werden müssen.

Was genau meinen Sie damit?


Sr. Maria Schneiderhan: Ich bringe immer gerne das Beispiel von Waffen. Jeder sagt: "Waffen sind schlecht, ich will keine Waffen." Auf der anderen Seite erwartet jeder, dass unsere Polizei uns beschützt. Es ist nicht so einfach zu definieren, was gut und was schlecht ist. Ein anderes Beispiel: Wir schließen Abtreibung komplett aus. Auch das ist schwierig, denn es gibt Pharmaunternehmen, die Medikamente produzieren, die eine Abtreibung ermöglichen, aber auch solche, die Leben retten. So kann fast keine Branche grundsätzlich ausgeschlossen werden. Das heißt, wir müssen – auch im täglichen Leben – immer Kompromisse machen, und diese abzuwägen ist ein Weg innerhalb unserere Gemeinschaft. Es wird also viel diskutiert. Und je mehr wir diskutieren, desto kontroverser wird es.  

Sr. Maria Schneiderhan

Finanzökonomin der Franziskanerinnen von Sießen

Für uns stellt sich immer die gleiche Frage: „Wie können wir unser Geld so anlegen, dass das Investment mit unserer Lebensform und unserem Leben vereinbar ist?“

Wie hat sich das Thema ethisches Investment seit den Anfängen in Ihren Augen entwickelt?


Sr. Maria Schneiderhan: Zum Glück stehen wir heute ganz woanders als vor über 20 Jahren. Damals war es ein Nischenprodukt, das in der Öffentlichkeit kaum gegenwärtig war. Wenn man die Banken nach ethischen Investitionsmöglichkeiten gefragt hat, war die Antwort oft ein Achselzucken. In der Zwischenzeit wurde viel geforscht, experimentiert und professionalisiert. Um die Jahrtausendwende gab es erste Schritte in Richtung einer Ratingagentur im Nachhaltigkeitsbereich. Heute gibt es viele Ratingagenturen. Und zahlreiche Banken haben ihre eigenen Ratingabteilungen und sind in Sachen Nachhaltigkeit sehr aktiv.

Wie sind Sie mit Ihrem Anliegen damals vorgegangen?


Sr. Maria Schneiderhan: Wir waren etwas frech. Wir haben unsere Kriterien genannt und die Banken aufgefordert, sich schlau zu machen. Das war unsere Bedingung: Entweder ihr macht es so, wie wir es wollen, oder wir gehen zu einer anderen Bank. Das hat gezogen. Auch heute werden wir nicht müde, bei Banken nachhaltige Angebote nachzufragen.

Webinar: Zukunft der Orden

Nachhaltige Geldanlage für Ordensgemeinschaften
Zukunft der Orden: Schöpfung wahren, Wert schöpfen
Ein praktischer Einblick in das Thema „nachhaltige Geldanlage für Ordensgemeinschaften". Schwester Maria Schneiderhan berichtet aus der Praxis. Unser Webinar für Vertreterinnen und Vertreter von Ordensgemeinschaften findet am 16. März 2022 von 16 bis 17 Uhr statt.

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Was beschäftigt Sie denn aktuell besonders?


Sr. Maria Schneiderhan: Ein Thema, bei dem wir als Gemeinschaft noch am Anfang stehen, betrifft die Frage, inwieweit wir uns mehr am Engagement-Ansatz beteiligen können. Können wir uns mit anderen Einrichtungen zusammentun und aktiv auf Unternehmen zugehen, um sie auf Missstände aufmerksam zu machen und auf diese Weise Veränderungen zu bewirken? Mit einigen Firmen kann so ein interessanter Dialog entstehen. Der AKI, der Arbeitskreis Kirchlicher Investoren in der evangelischen Kirche in Deutschland, ist an dieser Stelle der katholischen Kirche etwas voraus. Wir sollten schauen, ob wir so etwas nicht auch im Bereich der katholischen Kirche oder sogar gemeinsam auf die Beine stellen können. Da ist noch Luft nach oben.

Ethik -Beirat der Pax-Bank

Der Ethik-Beirat der Pax-Bank unter Vorsitz von Frau Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Freiburg, berät die Pax-Bank in ihrer strategischen Ausrichtung als christlich-nachhaltige Bank. Das Gremium tagt zweimal jährlich und umfasst aktuell acht unabhängige Expertinnen und Experten aus Kirche, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.

Seit 2020 sind Sie Mitglied im Ethik-Beirat der Pax-Bank. Bedingt durch die Pandemie haben Sie die anderen Mitglieder bisher leider persönlich noch nicht treffen können. Wie bringen Sie sich in dieses Gremium ein?


Sr. Maria Schneiderhan: Mir ist bewusst, dass die Pax-Bank mehr für die großen Investoren steht. Mir ist aber wichtig, dass ethisches Investment im Privatkundengeschäft auch bei den Kleinanlegerinnen und -anlegern in Bewegung gebracht wird. Denn es geht ja nicht nur um die Geldanlage, sondern insgesamt um die Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeit, mit dem sozialen Umfeld, mit der Ökologie. Ich sehe es in einem größeren Zusammenhang, und damit ist es für mich notwendig, auch die kleinen Sparerinnen und Sparer zu erreichen und sie auf das Thema aufmerksam zu machen. Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig es bisher ins Bewusstsein der Kleinanlegerinnen und -anleger gelangt ist, und sehe meinen Beitrag gemeinsam mit der Pax-Bank auch darin, Menschen dazu zu bringen, sich mit ethischem Investment zu beschäftigen.

Ihr Ansprechpartner bei der Pax-Bank

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