Nach der Flut: Von Hilfen und Handlungsbedarf

ca. 4 Minuten Lesezeit

10.11.2021

Die Folgen der Hochwasserkatastrophe sind bis heute verheerend. Auch die immer noch fehlende Infrastruktur und Hürden bei der Beantragung der Finanzhilfen stellen die Flutopfer vor große Herausforderungen. Wir haben mit Roman Schlag, einem Fluthilfekoordinator des Diözesan-Caritasverbandes Aachen, zur aktuellen Lage gesprochen.

  • Die Caritas-Verbände vor Ort leisten Soforthilfe und helfen bei den Anträgen für die Flutopferhilfe.
  • Die Anträge stellen viele Flutopfer vor praktische Probleme.
  • Den Betroffenen steht ein harter Winter bevor.

Foto: Caritas für das Bistum Aachen e. V.

Mit welchen Nöten sind die von der Flutkatastrophe betroffenen Menschen konfrontiert und welche Unterstützungen leistet die Caritas?

Roman Schlag: Familien hatten von jetzt auf gleich kein Zuhause, keine Kleidung, gar nichts mehr. Direkt nach einer großen Katastrophe geht es erst einmal darum, das Notwendigste zur Verfügung zu stellen. Dies umfasst sowohl eine Soforthilfe von 200 Euro pro Person als auch 5.000 Euro Ausstattungshilfe, die die Caritas für die Beschaffung von Möbeln, Kleidung oder Reparaturen bereitstellt. Darüber hinaus haben wir Trocknungsgeräte und vor allem Heizungen organisiert, da uns ein harter Winter prognostiziert wird. Die gute Nachricht ist, dass es diesbezüglich keine Beschaffungsnot zu verzeichnen gibt.

Abgesehen von der psychologischen Begleitung brauchen Betroffene die schnelle und unbürokratische Hilfe, die ihnen von der Bundesregierung zugesichert wurde. Wie kann diese beantragt werden und welche möglichen Hürden ergeben sich dabei?

Roman Schlag: In der Praxis geht dies bislang nur über einen Online-Antrag, ein großes Problem, denn wie sollen Betroffene einen Online-Antrag ausfüllen, wenn sie immer noch keinen Strom, keinen Computer mehr haben, oder ältere Generationen, denen die digitale Welt fremd ist? Deshalb werden in einigen Kommunen Busse eingesetzt, in denen Soforthilfeanträge gestellt werden können, die Caritas hat Fluthilfebüros vor Ort eingerichtet und mit Rechnern ausgestattet, in denen wir die Menschen bei der Antragsstellung unterstützen oder Ihnen auch einfach einen Raum zur Bewältigung ihrer seelischen Leiden bieten.

Roman Schlag

Fluthilfekoordinator, Caritasverband für das Bistum Aachen

Die traumatischen Erlebnisse für die Menschen vor Ort sind gravierend.

Wie ist Ihr persönlicher Eindruck der aktuellen Lage in den betroffenen Regionen?

Roman Schlag: Ich war kürzlich in Stolberg. Die Innenstadt ist förmlich tot. Aus allen Häusern war Hämmern und Bohren zu hören, sofern baustatische Gutachter nicht den Abriss angeordnet haben. Es fehlt zumindest nicht an Baumaterialien, aber die traumatischen Erlebnisse für die Menschen vor Ort sind gravierend. Ich habe kürzlich eine Ferienfreizeit besucht, die bewusst in der Region organisiert wurde, damit sich die Kinder in ihrer gewohnten Umgebung erholen können. Es war ein gewöhnliches Wassergeräusch in der Freizeitanlage zu hören – und ein junges Mädchen „rettete“ sich und ihre kleine Schwester umgehend auf einen Tisch. Wir haben einen Mann gefunden, der seit zwei Tagen traumatisiert und dehydriert vor seinem Haus saß und im Krankenhaus versorgt werden musste. Das sind Bilder, die nachhaltig in Erinnerung bleiben – ebenso wie die zahlreichen Pflegekräfte, die sich am Wochenende haben freistellen lassen, um mit ihren Lebenspartnerinnen und -partnern mit Händen und Schaufeln anzupacken. Das zeigt, wie wertvoll Anteilnahme und Miteinander in einer Gesellschaft sind und auch die Arbeit der Caritas.

Fluthilfe stockt

"Das Warten geht weiter", titelte Anfang November Westpol. Laut Recherchen des WDR Politmagazins sind von 7.831 Anträgen in Nordrhein-Westfalen bisher erst 1.702 in der Bearbeitung. Betroffene kritisieren das komplizierte Antragsverfahren. Der neue NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst will bis zu 300 neue Stellen schaffen, um die Bearbeitung zu beschleunigen. Laut seiner Bauministerin Ina Scharrenbach werden die ersten Stellen aber frühestens im Januar 2022 besetzt.

Ihr Ansprechpartner bei der Pax-Bank

Jörg Wiersch

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