HINRICHS HANDELT: Nach uns die Sintflut?

Lesezeit: ca. 6 Minuten

12.08.2021

Ob die Hochwasserkatastrophe eine Folge des Klimawandels ist oder eine tragische Wetterkonstellation: Die Opfer brauchen nun schnelle und unbürokratische Hilfe. Aber der Wiederaufbau bietet auch die Chance, Dinge anders zu machen als bisher, meint unsere Kolumnistin.

  • Die Flutkatastrophe Mitte Juli hat über Nacht viele Existenzen zerstört.
  • Es folgte eine Welle der Solidarität, an der sich auch die Pax-Bank beteiligt.
  • Investitionen in den Hochwasser- und Klimaschutz zahlen sich mehrfach aus.

Vier Wochen liegt die Flutkatastrophe in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz inzwischen zurück. Aber die Bilder, die ich im Fernsehen und in den Zeitungen gesehen habe, werde ich nie vergessen. Es sind Bilder, wie wir sie sonst meist aus anderen Regionen dieser Welt kennen. Bilder von Flüssen, die in wenigen Stunden zerstören, was über Jahrhunderte entstanden ist, und von Menschen, die um ihr Leben kämpfen. Viele der betroffenen Orte kenne ich persönlich. Sie liegen nur 30 Kilometer von meinem Wohnort entfernt, und es macht mich traurig, dass diese Orte nie wieder so aussehen werden, wie ich sie kenne.

Noch viel mehr schmerzt mich das Leid der Opfer. Mehr als 140 Mitmenschen haben alleine im Ahrtal in der Katastrophennacht ihr Leben gelassen, einige werden noch immer vermisst. Viele haben in wenigen Stunden ihr Hab und Gut verloren und stehen nun im wahrsten Sinne des Wortes vor den Trümmern ihrer Existenz. Auch unter den Kundinnen und Kunden der Pax-Bank sowie Kolleginnen und Kollegen von mir sind einige, die direkt von dem Unglück betroffen sind, und ihre Erzählungen haben mir das Ausmaß der Zerstörung eindringlich vor Augen geführt. Was wir vor vier Wochen erlebt haben, wird immer wieder als Jahrhundertkatastrophe bezeichnet. Doch dauert es wirklich wieder 100 Jahre bis zur nächsten Katastrophe? Wohl kaum.

 

Jutta Hinrichs

Jutta Hinrichs

Die Volkswirtin verantwortet seit 2018 die Stabsstelle Ethik & Nachhaltigkeit der Pax-Bank. In dieser Funktion koordiniert sie alle Themen der Bank, die mit Ethik und Nachhaltigkeit zu tun haben. So ist sie unter anderem verantwortlich für die Erstellung der jährlichen Klimabilanz. Ein wichtiges Anliegen ist ihr das Thema ethisch-nachhaltiges Investment, das Wirtschaft und Ethik kombiniert und seit über 100 Jahren zur DNA der Pax-Bank gehört. Hinrichs hat VWL in Frankfurt und Bonn studiert und arbeitete danach unter anderem für den Bundestagsabgeordneten Gunnar Uldall, die Konrad-Adenauer-Stiftung sowie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Hier schreibt die Mutter von zwei Kindern alle zwei Monate über neue Aktivitäten der Pax-Bank aus dem Bereich Ethik und Nachhaltigkeit.

Weltklimarat: Starkregen droht zuzunehmen

Es wurde in den letzten Wochen viel darüber diskutiert, ob der Starkregen, der diese Katastrophe ausgelöst hat, eine Folge des Klimawandels war oder einfach nur ein tragischer Zufall. Ich halte diese Diskussion für müßig. Zum einen, weil sich die meisten Wissenschaftler einig darüber sind, dass solche extremen Wetterphänomene mit dem globalen Temperaturanstieg zusammenhängen und wir leider damit rechnen müssen, dass sie in Zukunft häufiger eintreten. Darauf weist auch der aktuelle Bericht des Weltklimarates hin, der gerade vorgestellt wurde. So erklärte Prof. Dr. Veronika Eyring, die koordinierende Leitautorin des Kapitels "Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem": "Die Häufigkeit und die Intensität etwa von Starkregen-Ereignissen oder Hitzewellen steigen durch den Klimawandel an." Nach uns die Sintflut? Dieser Spruch wirkt nach den aktuellen Ereignissen beängstigend wahr.

Zum anderen helfen solche Diskussionen über die Ursachen den Menschen nicht in ihrer akuten Not. Und Hilfe ist das, was sie nun und auch in den kommenden Monaten von uns brauchen. So entsetzt ich von den Bildern der Zerstörung bin, so beeindruckt hat mich die Welle der Hilfsbereitschaft, die schon kurz nach der Katastrophe ihren Anfang nahm. Aus ganz Deutschland sind Bürgerinnen und Bürger, Handwerker und Bauern in die Katastrophengebiete gereist, um tatkräftig beim Aufräumen mitanzupacken und zumindest das schlimmste Leid zu lindern. Bis Anfang August wurden laut Deutschem Zentralinstitut für soziale Fragen schon 360 Millionen Euro für die von der Flutkatastrophe Betroffenen gespendet – schon jetzt mehr als nach dem Elbhochwasser 2002.

Der Wiederaufbau bietet Chancen

Viele weitere Milliarden Euro, die vom Bund und den Ländern zur Verfügung gestellt werden, fließen in den kommenden Jahren in den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur. Ich sehe darin eine Chance, Dinge anders zu machen als bisher und Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Das beginnt damit, wie wir die potenziellen Schäden solcher Starkregenereignisse in Zukunft verringern können, etwa durch Regenrückhaltebecken und einen besseren Hochwasserschutz. Auch die Frage, ob in Gebieten, die stark von Hochwasser gefährdet sind, überhaupt gebaut werden sollte und unter welchen Vorgaben, muss diskutiert werden.

Aber ich denke noch weiter. So sollte man den Wiederaufbau der Infrastruktur dazu nutzen, die Mobilitätswende voranzutreiben, etwa indem man von vorneherein Radwege einplant und den Schienenverkehr – wo noch nicht geschehen – elektrifiziert. Und auch wenn mir bewusst ist, dass es für die Menschen, Unternehmen und Einrichtungen vor Ort erst einmal darum geht, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben, so ist es jetzt an der Zeit, beim Wiederaufbau der Gebäude nachhaltige Aspekte von vornherein zu berücksichtigen, etwa den Einbau von PV-Anlagen und umweltfreundlichen Heizungen.

Prof. Dr. Claudia Kemfert

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Klimaschutz ist Katastrophenschutz

Auch die Wirtschafts- und Energieexpertin Prof. Dr. Claudia Kemfert forderte kürzlich im ZDF Morgenmagazin, in den betroffenen Regionen nun in den Klimaschutz zu investieren, etwa in die Stärkung des ÖPNV, den Ausbau erneuerbare Energien und die Transformation der Industrie. "Klimaschutz ist Katastrophenschutz. Jeder Euro den wir jetzt investieren, spart 15 Euro", schreibt sie in einem dazugehörigen Beitrag auf LinkedIn. Und ich möchte hinzufügen: "… und kann viel menschliches Leid verhindern."

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Ihre Ansprechpartnerin bei der Pax-Bank

Jutta Hinrichs Stabsstelle Ethik & Nachhaltigkeit

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