"Banken können sich aktiv in den Klimaschutz einbringen"

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30.06.2021

Bis 2050 soll der Gebäudebestand in Deutschland weitgehend klimaneutral sein. Ob und wie sich dieses Ziel erreichen lässt und welche Rolle die Banken dabei spielen, darüber diskutiert Christian Hartmann, Bereichsleiter Institutionelle Kunden bei der Pax-Bank, mit Thomas Hummelsbeck, Geschäftsführer der Rheinwohnungsbau.

  • Klimawende und bezahlbarer Wohnraum lassen sich vereinbaren.
  • Der Schlüssel zur weiteren Reduktion der CO2-Emissionen liegt im Wohnquartier.
  • Banken werden Klimarisiken künftig bei der Kreditvergabe berücksichtigen.

Herr Hummelsbeck, Mitte Mai hat das Kabinett den Entwurf für ein neues Klimagesetz vorgelegt, das verschärfte Ziele vorsieht. Wie ist die Wohnungswirtschaft davon betroffen?


Thomas Hummelsbeck: Bis 2030 muss der Gebäudesektor seine C02-Emissionen gegenüber 1990 nun um 70 Prozent reduzieren. Bislang galt eine Reduktion von 67 Prozent. Am ärgsten hat es die Energiewirtschaft getroffen. Zu Recht. Ich glaube ganz stark, dass auf der Erzeugerseite am meisten Musik ist. Es kann nicht sein, dass die Immobilienwirtschaft alles tun muss, um den Energiebedarf ihrer Gebäude zu minimieren – aber bei dem, was an Energie ins Haus kommt, passiert nicht genug. Die Dekarbonisierung des Fernwärmenetzes ist das A und O.

Schon vorher war klar, dass der Gebäudebestand in Deutschland bis 2050 weitgehend klimaneutral sein soll. Wie ist dieses Ziel überhaupt zu erreichen?
 
Thomas Hummelsbeck: Nach Meinung vieler Experten liegt das entscheidende Drehmoment zur Bewältigung des Klimawandels im Quartier. Das heißt, die Energie sollte möglichst dort erzeugt werden, wo sie verbraucht wird, etwa durch den Ausbau der Photovoltaik (PV) und Mieterstrommodelle. Das entspricht natürlich nicht dem Geschäftsmodell der Energieversorger. Die möchten am liebsten Offshore-Anlagen und eine Stromautobahn durch ganz Deutschland haben. Und die örtlichen Energieversorger schauen zu und verschlafen das. Aber inzwischen gibt es viele Start-ups, die sich mit Quartier- und Mieterstrommodellen, Eigenverbrauchanalysen und der Umstellung von fossiler Energie auf strombetriebene Wärmeerzeuger befassen.

Territory/Jens Pussel
Zum Gespräch trafen sich Thomas Hummelsbeck (links) und Christian Hartmann in der Zentrale der Rheinwohnungsbau. Vom Balkon des fünften Stockes blickt man auf den Düsseldorfer Medienhafen und die erste Solarsiedlung des Unternehmens, welche zwischen 2004 und 2008 in drei Abschnitten errichtet wurde (Foto oben).

Thomas Hummelsbeck

Der studierte Betriebswirt ist seit 2012 Geschäftsführer und seit 2018 alleiniger Geschäftsführer der Rheinwohnungsbau GmbH in Düsseldorf. Seine Kernthemen sind die Felder Neubau, Modernisierung, Projektentwicklung, technisches Portfoliomanagement, Kommunikation sowie Marketing und Strategie. Das 1931 gegründete Unternehmen mit kirchlichem Ursprung verwaltet rund 6.300 Wohnungen, der Großteil davon in Düsseldorf und Duisburg, und ist Mitglied der Initiative Wohnen.2050, in der sich Unternehmen und Verbände aus dem Gebäudesektor zusammengeschlossen haben, um die Klimawende gemeinsam zu bewältigen. Seit 2016 ist Hummelsbeck außerdem Vorstandsvorsitzender des KSD Katholischer Siedlungsdienst e. V.

Ist das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 denn überhaupt realistisch?

Thomas Hummelsbeck: Ja, allerdings müssen wir die Verfügbarkeit entsprechender Kapazitäten auf dem Markt berücksichtigen. Wir spüren an einigen Stellen bereits eine gewisse Rohstoffknappheit. Zudem braucht man die Manpower, um alles aufs Dach zu bekommen und die einzelnen Elemente miteinander zu verbinden. Diese hochmoderne Technik bringt auch die ausführenden Unternehmen an ihre Grenzen. Schon deshalb darf man keine Zeit mehr verlieren. Ein weiteres Argument dafür, nicht länger zu warten, ist die steigende CO2-Bepreisung. Als Mittel der Steuerung finde ich das völlig richtig. Wie will ich denn Immobilieneigentümer sonst zu Investitionen treiben?

Herr Hartmann, der klimaneutrale Umbau ist natürlich auch ein Thema für die Banken. Sie stellen die Finanzmittel zur Verfügung und müssen beurteilen, inwieweit diejenigen, die die Mittel erhalten, diese auch zurückzahlen können.
 
Christian Hartmann: Das Thema hat im Grunde zwei Facetten. Wie immer bei einer Finanzierung schauen wir auf die Wirtschaftlichkeit. Wie wird das Projekt refinanziert? Trägt es sich über die Mieterträge? Gibt es öffentliche Zuschüsse? Die zusätzlichen Investitionen müssen sich ja irgendwie rechnen. Die andere Seite sind die Klimarisiken. In unser Immobilienrating werden wir in Zukunft sicher das Thema Nachhaltigkeit einfließen lassen. Wir überlegen, wie wir es als Bonus werten können, wenn jemand sich für Nachhaltigkeit engagiert. Ein geringes Risiko der Klimaschädlichkeit muss positiv berücksichtigt werden.

Territory/Jens Pussel

Christian Hartmann

Bereichsleiter Institutionelle Kunden bei der Pax-Bank

Ein geringes Risiko der Klimaschädlichkeit muss positiv berücksichtigt werden.

Thomas Hummelsbeck: Ich finde das völlig richtig. Schließlich möchte ich besser geratet werden als einer, der nichts macht. Und ich erwarte auch von den Banken, dass sie einen scharfen Blick darauf haben, ob jemand den Klimawandel in unserer Branche ernst nimmt. Das ist nicht nur unsere eigene Kernaufgabe, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Wie lässt sich das Klimarisiko denn bemessen? Kann der CO2-Preis als Indikator dienen?

Thomas Hummelsbeck: Genau. Wenn ein Unternehmen einen CO2-Fußabdruck von 40 Kilogramm pro Quadratmeter Wohnfläche hat, multipliziert man diesen mit der vorhandenen Wohnfläche und weiß, wie die Steuer künftig das Betriebsergebnis belasten wird.

Christian Hartmann: Natürlich müssen wir auch berücksichtigen, was Unternehmen, die heute noch nicht so gut dastehen, in den kommenden Jahren machen werden – so wie wir heute ja auch schon auf die wirtschaftlichen Planzahlen schauen. Wichtig wird eine Vergleichbarkeit für Ratings beim Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz sein. Erhält ein Unternehmen bessere Noten, wirkt sich das auf die Konditionen aus. Klar ist auch, dass Maßnahmen zum Klimaschutz erst einmal Geld kosten. Bei unseren Angeboten für die nachhaltige Geldanlage sehen wir aber auch, dass die Rendite nicht unter der Nachhaltigkeit leiden muss.

Thomas Hummelsbeck: Es eröffnen sich ja auch neue Geschäftsfelder. Dem Thema Mieterstrom stand ich zunächst zwiespältig gegenüber. Wenn man es aber gescheit macht, könnte man die Belastungen durch die CO2-Besteuerung ein Stück weit kompensieren.

Christian Hartmann: Außerdem können Gebäude, die im Klimaschutz sehr viel weiter sind als andere, bei der Besicherung höher bewertet werden.

Thomas Hummelsbeck: Den Banken kommt da eine ganz bedeutende Rolle zu. Indem sie solche Stellschrauben setzen, können sie sich aktiv in den Klimaschutz einbringen. Dann fällt es Verweigerern schwerer, ihr Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten.

Christian Hartmann: Dafür müssen die Banken aber an einem Strang ziehen. Auch die großen Fondsgesellschaften bekommen es mittlerweile hin, immer mehr Geldanteile nachhaltig anzulegen. Auch das übt Druck auf Unternehmen aus. Dann darf nur derjenige in den Fonds, der bestimmte Ziele einhält. Auf der Finanzierungsseite gilt dann genau das Gleiche.

Ob es jetzt Investitionen in den Klimaschutz sind oder CO2-Abgaben, die Geld kosten – kommt dadurch nicht zusätzlich Druck auf die ohnehin schon steigenden Mietpreise?

Thomas Hummelsbeck: Das ist eine Frage des Geschäftsmodells. Als AG, welche gegebenenfalls mit steigenden Dividendenerwartungen konfrontiert wird, ist es sicherlich nicht einfach, diese Herausforderungen in Einklang zu bringen. Wir als nachhaltig denkendes Unternehmen sind da ein Stück weit anders unterwegs: Bei umfassenden Modernisierungen können wir keine 3,50 Euro Mieterhöhung pro Quadratmeter umsetzen, wenn wir mit fünf Euro starten. Damit würden wir unserem Auftrag nicht gerecht. Das ist aber auch nicht nötig. KfW 100 oder KfW 115 kann man momentan noch über die KfW mit attraktiven Teilschulderlässen finanzieren. Damit ist der Mehraufwand in der Gebäudetechnik schon einmal refinanziert. Das wirtschaftliche Ergebnis wird in der Bilanz natürlich durch höhere Abschreibungen belastet. Aber mit Blick auf die Zahlungsströme bekommt man das in den Griff.

Christian Hartmann: Entscheidend ist, ob man die erwirtschafteten Gewinne zu einem guten Teil wieder investieren kann oder eben an Teilhaber ausschütten muss, so wie es bei Aktiengesellschaften der Fall ist.

Wie können Banken die Wohnungswirtschaft unterstützen?

Thomas Hummelsbeck: Die jetzige KfW-Förderung für Quartierstromkonzepte ist zum Beispiel nicht besonders attraktiv. Da würde ich mir wünschen, dass die Kirchenbanken vorangehen, indem sie vielleicht 0,25 Prozentpunkte unter den KfW-Mitteln anbieten. Oder die Konditionen der KfW ohne Grundbucheintrag anbieten. Das wäre ein Stück weit ein Alleinstellungsmerkmal.

Christian Hartmann: Da ist sicher vieles vorstellbar, ohne mich da zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen. Das bedarf aber noch einiger Abstimmung, z. B. auch mit den anderen Kirchenbanken.

Welche Unterstützung erwarten Sie von der Politik?

Thomas Hummelsbeck: Wann bewegt sich der Mensch? Wenn es ihn Geld kostet, wenn es weh tut. Ansonsten ist die Eigenmotivation eher übersichtlich. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die CO2-Besteuerung dynamisch steigen wird. Völlig egal, wer an der Regierung ist. Andere EU-Länder sind da schon deutlich weiter als Deutschland.

Territory/Jens Pussel

Thomas Hummelsbeck

Rheinwohnungsbau

Wann bewegt sich der Mensch? Wenn es ihn Geld kostet, wenn es weh tut.

Die Rheinwohnungsbau hat vor Kurzem die CO2-Emissionen ihres Portfolios ermittelt. Wie gut stehen Sie schon da?

Thomas Hummelsbeck: Wir liegen bei knapp 24 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr. In diesen Sphären bewegen sich nicht viele. Unser Bestand in Düsseldorf ist zu 75 Prozent durchmodernisiert, knapp 14 Prozent des Altbestandes haben wir durch Abriss und Neubau ersetzt. In Duisburg sind wir ein bisschen hinterher. In Berlin ist vieles denkmalgeschützt, da haben wir weniger Einflussmöglichkeiten. Alles in allem sind weit mehr als 3.000 Wohnungen unseres Bestandes energetisch auf einem Niveau rund um KfW 100. Erreichen wollen wir sechs Kilogramm. Wir müssen also noch um 75 Prozent runter. Und das geht nicht mehr nur über die Gebäudehüllen, denn an diesen haben wir schon viel optimiert.

Worum geht es dann?

Thomas Hummelsbeck: Ein nicht unwesentlicher Anteil in unserem Gebäudebestand steht energetisch gut da und hängt darüber hinaus an der Fernwärme Düsseldorf, mit einem Primärenergiefaktor von null. Was sollen wir da noch machen? Nur eines: CO2-Senkung über PV-Anlagen. Im Rahmen eines Pilotprojektes in Duisburg haben wir die Stellschrauben bei uns identifiziert und festgelegt, in welcher Reihenfolge wie wir sie abarbeiten. Dort liegen wir momentan noch bei 40 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter im Jahr. Mit Ampeers Energy, einer Ausgründung der Fraunhofer-Gesellschaft, haben wir uns den passenden Partner ins Boot geholt.

Mit welchem Ergebnis?

Die Bestandteile des Konzepts sind PV-Anlagen, Umrüstungen auf Wärmepumpen, Gebäudehüllen auf einem Stand von KfW 100 und eine Abluftanlage. Dann gehen wir an die Haustechnik. Beim Strom haben wir uns dafür entschieden, die Dachfläche maximal mit PV-Anlagen zu belegen und Batteriespeicher zu nutzen, die uns eine breite Versorgung über den Tag hinaus bis in die Nacht gewährleisten. Das ergibt im Modellprojekt einen Eigenverbrauchsanteil von 92 Prozent. Die Maxime ist, so wenig wie möglich ins Netz einzuspeisen. Dabei kommt es auf die Intelligenz der Anlage zur Steuerung des Quartierstroms an. Der Strom, den wir erzeugen, muss gezielt dorthin geschickt werden, wo er gerade gebraucht wird. Unsere Annahmen gehen davon aus, dass wir mit unseren Maßnahmen auf -0,5 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter und Jahr kommen – besser als klimaneutral. Und das gesamte Konzept ist skalierbar.

Wie sehen die nächsten Schritte aus?

Thomas Hummelsbeck: Wir werden im Herbst beginnen. Der Bestand in Duisburg wird seit 2017 verstärkt energetisch modernisiert, und beim aktuellen Bauabschnitt konnten wir den Projektleiter davon überzeugen, die Schritte, die wir beschlossen haben, einzubauen. Insgesamt haben wir 800 Wohnungen in diesem Gebiet. Die Schätzungen für den Aufwand belaufen sich auf 40 bis 50 Millionen Euro. Natürlich wollen wir uns Fördermittel abholen, wo immer es nur geht.  

Und wann sind Sie fertig?

Thomas Hummelsbeck: Schön wäre es, wenn ein Großteil in fünf Jahren fertig wäre. Da gehe ich in den Ruhestand.

Ihr Ansprechpartner bei der Pax-Bank

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