Salesianer wollen neue Maßstäbe für nachhaltiges Denken setzen

ca. 4 Minuten Lesezeit

24.06.2022

Die Ordensgemeinschaft Salesianer Don Boscos (SDB) stellt sich den großen Herausforderungen unserer Zeit. Aus diesem Grund veranstalten sie vom 19.–23. September 2022 erstmals einen SDB Change Congress. Generalökonom Jean Paul Muller SDB erklärt im Interview, wie die Salesianer der Welt im Wandel begegnen wollen und müssen.

  • Die Ordensgemeinschaft der Salesianer Don Boscos ist aktuell in 134 Ländern tätig. Die 91 Verwaltungseinheiten werden von den Provinzökonomen geleitet.
  • Die Salesianer engagieren sich vor allem in der Seelsorge, beruflichen Bildung, Erziehung und Präventionspädagogik. 
  • Junge Wirtschaftsfachkräfte um Papst Franziskus haben sich in einer "Ökonomie von Franziskus" zusammengeschlossen.

Warum lädt der Salesianer-Orden zu einem Change Congress ein?


Jean Paul Muller: Mit diesem Kongress richten wir uns an unsere Ökonomen und alle, die unsere finanziellen und personellen Ressourcen verantworten. Nach der Pandemie ist es an der Zeit, dass wir uns wieder gemeinsam inhaltlichen Themen widmen. Der Titel des Kongresses und der Veranstaltungsort – die Salesianer-Universität in Rom – sind natürlich nicht zufällig gewählt: Sie zeigen, dass uns der Wandel in Gesellschaft, Kirche und Wirtschaft stark fordert und wir uns dem stellen müssen. Das möchten wir nun mit einer neuen Professionalität angehen und uns dabei von Erkenntnissen aus der Wissenschaft leiten lassen. Zudem wollen wir es im Einklang mit den Vorschlägen von Papst Franziskus tun, der gute und wegweisende Anregungen für die Zukunft der Kirche und ihres Dienstes am Menschen gibt.

Zur Person

Foto: SDB

Jean Paul Muller wurde 1957 in Luxemburg geboren und trat 1978 der Ordensgemeinschaft Salesianer Don Boscos bei. Der studierte Heilpädagoge war unter anderem Leiter der Don Bosco Mission in Bonn und ist seit 2011 Generalökonom der Salesianer Don Boscos in Rom. Von 2009 bis 2011 gehörte er dem Aufsichtsrat der Pax-Bank Köln an.

Mit welchen Herausforderungen sieht sich Ihr Orden in diesem Zusammenhang besonders konfrontiert?


Jean Paul Muller: Die epochalen gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen – Post-Covid, Klimawandel, Kriege und politische Krisen, sich ausweitende Hungergebiete, Zunahme von Heimatlosen –, verdeutlichen uns, dass wir es mit systemischen Krisen zu tun haben. Wir Salesianer sind bekannt für unsere pragmatischen und spontanen Lösungen, doch das reicht nicht mehr aus, da wir so all unsere menschlichen und finanziellen Ressourcen verbrennen. Wir müssen von unserem alltagsorientierten Aktionismus hin zu einer strategischen Herangehensweise kommen. Die hochkomplexen wirtschaftlichen Herausforderungen und die toxische Umwelt unserer Jugendlichen verlangt nach einem Denken in Netzwerken, nach einer Resilienz, die in unserer salesianischen Kultur und Geschichte wurzelt, und nach dem Mut, unsere Identität als Orden, zusammen mit unseren engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in neuen Strukturen zu beleben.

Bruder Jean Paul Muller SDB

Generalökonom der Salesianer

Unser Auftrag ist die Erziehung der jungen Menschen zur Übernahme von Verantwortung, und zugleich sind wir ihre Anwälte, damit ihre Anliegen dort gehört werden, wo sie selbst keinen Zugang haben

Ein Schwerpunktthema ist die nachhaltige Wirtschaft. Welche Ziele verfolgen die Salesianer in diesem Zusammenhang?


Jean Paul Muller: Junge Wirtschaftsfachkräfte um Papst Franziskus haben sich in einer "Ökonomie von Franziskus" zusammengeschlossen. Unterstützt werden sie dabei von Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträgern, namhaften Ökonominnen sowie Beratern großer Finanzinstitute und Firmen. Sie zeigen uns auf, dass wir all unser wirtschaftliches Agieren unter die Prämisse der Nachhaltigkeit setzen müssen, damit wir und unsere Kinder überleben können. Hierbei geht es nicht nur um eine ökologische Sichtweise, sondern die ganzheitliche Sicht auf den Menschen in unserem Universum. Unser Auftrag ist die Erziehung der jungen Menschen zur Übernahme von Verantwortung, und zugleich sind wir ihre Anwälte, damit ihre Anliegen dort gehört werden, wo sie selbst keinen Zugang haben. Papst Franziskus hat uns mit seiner Enzyklika "Laudato Si" auf einen klaren Weg hin zu mehr Geschwisterlichkeit und zur Sorge um "unser gemeinsames Haus" eingeladen. Der Weg ist oft steinig, weil wir Menschen unser Verhalten nicht verändern wollen. An uns ist es jetzt, die Präventionspädagogik von Don Bosco zu nutzen, um die Entscheidungsträger in Wirtschaft, Politik und Kirche mit dem Denken, den Sorgen und den Hoffnungen junger Menschen vertraut zu machen, damit sie mehr Mut bekommen, die Armut zu bekämpfen und gemeinsam mit den Jugendlichen für mehr Gerechtigkeit in unseren Gesellschaften sorgen. Unsere regionalen Netzwerke und die vielen Gruppen von engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie unsere Bereitschaft zum systemischen Vorausdenken werden uns dabei helfen.

Foto: SDB
Bruder Jean Paul Muller trifft Papst Franziskus.

Ein weiterer Fokus des Kongresses liegt auf Künstlicher Intelligenz. Warum beschäftigt sich Ihr Orden mit diesem Thema?


Jean Paul Muller: Wir mussten uns auf einige wenige Themen für diesen Kongress beschränken, da wir nur eine Woche Zeit zur Verfügung haben. Die fünf Themen – nachhaltiges Wirtschaften, Digitalisierung, Leadership, Künstliche Intelligenz und Korruptionsbekämpfung – sind meines Erachtens derzeit die großen Sorgen und zugleich die großen Chancen in unserer Wirtschaft, die wir in den kommenden Jahren bearbeiten müssen. Egal, wo wir heute aktiv sind, wir sind immer von Künstlicher Intelligenz umgeben und oft – ohne es zu wissen oder zu merken – werden wir davon geleitet. Künstliche Intelligenz wird sehr breit in der Wissenschaft diskutiert, oft verteufelt oder auch als die einzige Lösung all unserer Probleme gepriesen. In diesem Feld sind uns die Jugendlichen weit voraus. Hier müssen wir aufholen und mit ihnen gemeinsam viel lernen, damit wir Salesianer in Zukunft wissen, welche Möglichkeiten sich uns bieten, um das Lernen, den Wissenstransfer und unser weltweites Netzwerk effektiver zu gestalten.

Pax-Bank-Experten beim Kongress

Am SDB Change Congress vom 19.–23. September 2022 werden vor Ort Ordensmitglieder der Salesianer und deren Mitarbeitende sowie Leiterinnen und Leiter von NGOs und deren Mitarbeitende teilnehmen, darüber hinaus Expertinnen und Experten als Vortragende. So werden auch Vertreter der Pax-Bank zu Gast sein und zum Thema "Nachhaltige Wirtschaft" referieren. Darüber hinaus wird der Kongress auf der Website der SDB und auf Youtube live übertragen, damit alle Interessierten wie Ökonomen anderer Orden daran teilnehmen können.

Wie würden Sie die Aufgabe beschreiben, die sich die Salesianer der Zukunft vorgenommen haben?


Jean Paul Muller: Tagtäglich hat der Salesianer seine Spiritualität zu vertiefen, um sein Zeugnis als Ordensmann in einer immer säkularer werdenden Welt zu leben. Vieles von dem, was wir heute machen, wird in Zukunft von staatlichen oder sozialen Organisationen übernommen werden. Uns bleibt aber immer der Auftrag, den jungen Menschen einen Zugang zum Evangelium anzubieten, um ihnen eine Tür in eine geistliche Dimension zu eröffnen, die ihnen Halt und Zuversicht gibt. Morgen und übermorgen werden wir unsere Treue zu unserer Berufung dadurch beweisen, dass wir bei und mit Jugendlichen unterwegs sind, die keine Lobby haben und denen man ihre Rechte und ihre Ansprüche auf Würde abspricht. Das ist im Vergleich zu dem, was wir heute tun, nicht Neues, aber es ist anders!

Salesianer Don Boscos

Die Salesianer Don Boscos sind einer der größten Orden der Welt. Insgesamt rund 28.000 männliche und weibliche Ordensleute leben und arbeiten heute in mehr als 130 Ländern auf fünf Kontinenten. Hinzu kommen 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Deutschland sind die Salesianer an 45 Standorten vertreten. Gegründet wurde der Orden 1859 von dem Priester Don Giovanno Bosco (1815-1888). In der durch die Industrialisierung geprägten italienischen Stadt Turin suchte er nach Antworten auf dringliche soziale Fragen und bemühte sich vor allem um das Wohlergeben und die Bildung junger Menschen. Dieser Tradition folgt die Glaubensgemeinschaft bis heute. Die meisten Salesianer leben in Indien, Italien, Spanien, Polen und Brasilien.

Ihr Ansprechpartner bei der Pax-Bank

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