Wankt das christliche Profil?

ca. 4 Minuten Lesezeit

26.05.2025

Wozu brauchen konfessionelle Träger heute noch ein christliches Profil? Dieser Frage geht ein Symposium nach, zu dem das Institut für Christliche Organisationskultur (ICO) und der Campus für Theologie und Spiritualität (CTS) im Juli nach Frankfurt einladen. Die beiden Initiatoren Hannes Groß und Pater Ludger Schulte erklären, warum sich Einrichtungen gerade jetzt mit ihrer Quelle beschäftigen sollten und was das christliche Profil mit Instantkaffee zu tun hat. 

  • Die Träger im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen stehen vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen.
  • Für konfessionelle Einrichtungen stellt sich die Frage, wie sie sich in einem pluralen Markt behaupten und ihr Überleben sichern. 
  • Das Symposium möchte den Sinn für die Bedeutung des christlichen Profils schärfen und zeigen, wie man dieses Profil mit Leben füllt.

Das Bild eines Seiltänzers zwischen Hochhäusern ziert den Flyer für das Symposium "Christliches Profil im Wanken", das am 1. Juli 2025 in Frankfurt stattfindet. Ein Bild, das für Unsicherheit und Risiko steht – aber auch Können, Balance und Vertrauen ausdrückt. Um diese Themen kreist das erste deutschlandweite Symposium für konfessionelle Träger im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen – und um die Frage, wie christliche Identität heute sichtbar und wirksam werden kann.

Hannes Groß ist Direktor des Instituts für christliche Organisationskultur in Dortmund.
Hannes Groß leitet das Institut für christliche Organisationskultur in Dortmund (Foto: ICO).

Herr Groß, Ihr Symposium trägt den Titel "Christliches Profil im Wanken". Warum dieser Titel?

Hannes Groß: Weil es fünf nach zwölf ist. Konfessionelle Einrichtungen wie Krankenhäuser und Pflegeheime, aber auch kirchliche Kitas und Schulen stecken mitten in großen Transformationsprozessen: wirtschaftlicher Druck, Fachkräftemangel, der Rückzug religiöser Milieus. Viele Träger sagen: "Lasst uns erst mal 2025 überleben, dann sehen wir weiter." Doch angesichts dieser Herausforderungen ist das christliche Profil kein Sahnehäubchen, sondern ein Grundpfeiler, um eine Einrichtung zukunftsfähig aufzustellen und das Überleben zu sichern. Auf der einen Seite steht die Frage: "Warum leisten wir uns als Kirche heute noch Kitas, Pflegeheime und Krankenhäuser?" Weil es zu unserem Grundauftrag gehört. Und auf der anderen Seite steht die Frage: "Wie werden wir diesem Grundauftrag gerecht und gestalten unsere Organisation?" Aber auch: "Was ist der gesellschaftliche Mehrwert von konfessionellen Einrichtungen? Und wie behaupten wir uns in einem pluralen Markt?" Wenn wir uns diesen Fragen nicht stellen, können wir es gleich lassen und uns in die Hängematte legen. 

Pater Ludger: Einige meinten, wir sollten die Veranstaltung lieber "Kirchliches Profil im Wandel" nennen. Aber "Wandel" wird der Dramatik nicht gerecht.

Hannes Groß

Direktor des Instituts für christliche Organisationskultur

Als christliche Organisation müssen wir Stellung beziehen zu gesellschaftlich relevanten Themen, die auch uns betreffen.

Ist allen Verantwortlichen bei den konfessionellen Trägern diese Dramatik und die Bedeutung eines christlichen Profils bewusst?

Hannes Groß: Es gibt sicher auch Verantwortungsträger, die sich darauf konzentrieren möchten, eine Einrichtung wieder auf eine schwarze Null zu bringen, und die das christliche Profil als "Gedöns" betrachten. Aber als christliche Organisation müssen wir Stellung beziehen zu gesellschaftlich relevanten Themen, die auch uns betreffen, wie zum Beispiel dem begleiteten Suizid – schon damit die Mitarbeitenden sprachfähig sind. Solche konkreten Entscheidungen hängen auch davon ab, was mich antreibt. Daher ist diese Auseinandersetzung mit dem christlichen Profil als Quelle wesentlich.

Die Initiatoren

Das Institut für Christliche Organisationskultur (ICO) begleitet Einrichtungen im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen bei der Entwicklung ihres christlichen Profils. Die Beratung umfasst Organisationskultur, Wertearbeit, Spiritualität und ethische Orientierung. Ziel ist eine glaubwürdige, praxisnahe und beteiligungsorientierte Umsetzung christlicher Identität im Alltag.

Der Campus für Theologie und Spiritualität (CTS) Berlin ist ein gemeinschaftlich getragener theologischer Campus für Ordensgemeinschaften und geistliche Bewegungen. Im Mittelpunkt stehen Studienjahre, Fortbildungen und Reflexionsräume für Führungskräfte und Engagierte, die christliche Spiritualität in (post)säkularen Kontexten neu verorten wollen.

Prof. P. Dr. Ludger Schulte OFMCap ist Vorstand des Campus für Theologie und Spiritualität Berlin.
Prof. P. Dr. Ludger Schulte OFMCap ist Vorstand des CTS Berlin (Foto: CTS).

Wie entstand die Idee zum Symposium?

Pater Ludger: Hannes Groß hat es schon beschrieben: Viele Einrichtungen stellen sich neu auf. Es kommt zunehmend zu Fusionen. In solchen Prozessen stellt sich die Fragen nach der Identität neu. Gleichzeitig gehen die Babyboomer in Rente und damit ein überwiegend christlich geprägtes Milieu. Früher gab es eine gewisse Grundsozialisation, die man nur aktivieren musste. Das war wie Instantkaffee und heißes Wasser. Heute haben Sie keinen Instantkaffee mehr. Wenn es gut läuft, haben Sie noch heißes Wasser. Damit stellt sich die Frage: Wie können wir den Geist des Hauses halten? Wie können wir ein Kulturbeet schaffen, in dem der einzelne wachsen kann, weil er gewisse christliche Werte wie Nächstenliebe teilt? Ich bin überzeugt: Wenn wir Menschen als auf Ewigkeit ausgerichtete Wesen sehen, macht das einen Unterschied: im Menschenbild, in der Pflege, in der Seelsorge, in der Führung. Das christliche Profil ist neudeutsch der "Purpose", an dem sich eine Organisation ausrichtet. 

Also ist das christliche Profil eine Überlebensfrage für konfessionelle Träger? Wollten Sie das mit dem Bild des Seiltänzers ausdrücken?

Pater Ludger: Ich finde, die Menschen sollten nicht so sehr ans Überleben denken. Sie sollten ans Leben denken. Seiltanz ist eine Kunst. Man muss jeden Schritt bewusst setzen. So sehe ich auch das christliche Profil.

Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Symposium?

Hannes Groß: Wir müssen eine Plattform schaffen und möglichst viele Träger dauerhaft zusammenbringen, damit wir voneinander lernen können und nachhaltige Strukturen aufbauen. Wir wollen nicht vorgeben, wie es geht, sondern zeigen: Es geht! Unser Ziel ist es, einen Ort für Inspiration, Austausch und Vernetzung zu schaffen. 

Pater Ludger: Ich glaube, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es Inspiration braucht. Deshalb wollen wir Entscheidungsträgerinnen und -träger vernetzen und Kooperationen ermöglichen. Beispielsweise um ein Leadership-Programm zu entwickeln, in dem sich Führungskräfte damit beschäftigen können, welche Antworten der christliche Glauben auf ihre alltäglichen Fragen gibt.

Wie ist das Symposium aufgebaut? Was erwartet die Teilnehmenden?

Pater Ludger: Am Vormittag stellen wir die Grundfrage: "Wozu braucht es überhaupt ein christliches Profil?" Am Nachmittag zeigen wir in Workshops, wie das gelingen kann. Diese Workshops sind so aufgebaut, dass wir nicht einfach Best Practises vorstellen, sondern die Diskussion anregen möchten.

Sie sprechen über christliches Profil als Chance. Kann es nicht auch hinderlich sein – gerade in Zeiten kirchlicher Krisen?

Hannes Groß: Das Christentum hat es nie allen recht gemacht, angefangen bei Jesus. Entscheidend ist doch, dass wir eine Einstellung haben und auch dazu stehen – potenzielle Mitarbeitende oder Klienten können sich bewusst für oder gegen einen christlichen Träger entscheiden. Aber kein Profil zu haben, ist keine Option.

Pater Ludger: Viele Fachkräfte schätzen kirchliche Einrichtungen gerade wegen ihrer Werte. Wenn man fragt, was ist das Besondere an einer christlichen Einrichtung, würden die meisten Mitarbeitenden vermutlich sagen: Man ist anders in Beziehung zueinander.

An wen richtet sich das Symposium konkret?

Hannes Groß: An Menschen mit Verantwortung in konfessionellen Einrichtungen: Vorstände, Geschäftsführungen, Aufsichtsgremien, Personalleitungen, Chefärzt:innen. Also an alle, die Kulturen gestalten und prägen können.

Pater Ludger: Wenn Führungskräfte das Thema nicht tragen, bleiben gut gemeinte Impulse oft auf der Strecke. Christliches Profil darf kein Feigenblatt sein, sondern gehört in die DNA einer Organisation. Und damit muss es ein Kernprojekt der obersten Leitungsebene sein.

Prof. P. Dr. Ludger Schulte OFMCap

Vorstand des Campus für Theologie und Spiritualität

Das christliche Profil gibt uns die Kraft, den Kopf hochzuhalten – gerade in diesen ruckeligen und unübersichtlichen Zeiten.

Was erhoffen Sie sich persönlich von dem Symposium?

Pater Ludger: Dass Menschen wieder Mut fassen. Das christliche Profil gibt uns die Kraft, den Kopf hochzuhalten – gerade in diesen ruckeligen und unübersichtlichen Zeiten. Das ist die Botschaft des christlichen Hoffnungsmodells: "Wenn die Welt untergeht, dann erhebt Euer Haupt, denn die Hoffnung ist nahe!" 

Hannes Groß: Genau. Das Symposium soll keine Jammerveranstaltung werden. Wir wollen zeigen, dass wir eben nicht den Kopf in den Sand stecken vor den vielen Herausforderungen. Ich wünsche mir, dass die Menschen inspiriert nach Hause gehen, sich vernetzen, und sagen: "Wir packen das an!" Und ich hoffe, dass es keine Eintagsfliege wird, sondern sich als Austauschplattform etabliert.

Christliches Profil im Wanken - das Programm

Wann und wo?

Dienstag, 1. Juli 2025, 10:30–16:30 Uhr, Haus am Dom, Frankfurt am Main  

 

Zielgruppe 

Leitungsverantwortliche aus Kirche, Caritas, konfessionellen Trägern  

 

Ablauf 

Vormittag

Christliches Profil – wozu noch?

Keynotes mit anschl. Diskussion

Prof. Dr. Lars Castellucci MdB und Msgr. Dr. Christian Hermes

 

Nachmittag

Christliches Profil – wie es gehen kann!

Vortrag

Frater Fabian Lechner OT

 

Workshops (parallel)

  • Wie organisieren wir Seelsorge?
  • Wie geben wir das Ordenscharisma und die christliche Botschaft weiter?
  • Personalentwicklung und -bindung
  • Wo zeigen wir Position in den gesellschaftlichen Herausforderungen?

 

Zusammenfassung und Ausblick

Abschluss

Hannes Groß (Institut für christliche Organisationskultur),

Prof. P. Dr. Ludger Schulte OFMCap (CTS Berlin) und

Daniel Protzer (Deutscher Orden Ordenswerke)

 

Anmeldung und Infos 

www.cts-berlin.org/wanken

Ihr Ansprechpartner bei der Pax-Bank

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