Der Politikwissenschaftler Prof.Claus Leggewie sprach bei der Generalversammlung zum Thema "Freiheit oder/und Nachhaltigkeit".
Drei Fragen an Prof. Claus Leggewie
Die Freiheit zum Verzicht
Worin besteht der Widerspruch zwischen Freiheit und Nachhaltigkeit?
Prof. Claus Leggewie: Das ist kein prinzipieller Widerspruch, eher ein Spannungsverhältnis. Eine freie Gesellschaft, die nicht nachhaltig ist, untergräbt ihre eigenen Existenzgrundlagen,
eine Gesellschaft, die Nachhaltigkeit anstrebt, darf nicht so weitgehende Einschränkungen zulassen, dass Menschen unfrei werden, Stichwort Ökodiktatur. Schaut man sich die Weltkarte an, dann sehen wir aber: Die freiesten Gesellschaften weisen wegen ihres großen ökologischen Fußabdrucks die geringste Nachhaltigkeit auf, während Nachhaltigkeit am ehesten auf einem unteren Wohlstandslevel erreicht wird. Diese Diskrepanz muss eine gut angelegte Nachhaltigkeitspolitik abbauen.
Wie kann der Staat nachhaltiges Wirtschaften fördern?
Leggewie: Zuerst können Gesetzgeber falsche Anreize wie die ungeheuerliche Subventionierung fossiler Energieproduktion endlich einstellen und positive Anreize setzen, um Verhaltensweisen zu fördern, die von einer großen Zahl von Menschen gewünscht, aber aus Trägheit, Verlustaversion und Trotzreaktionen nicht umgesetzt werden. Zusätzlich schlägt der »Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen « einen transformativen Staatsfonds vor, der sich langfristig an Projekten mit hoher Relevanz für die sozial-ökologische Transformation beteiligt. Er orientiert sich an strengen Anlagekriterien privater Nachhaltigkeitsfonds. Es werden sowohl negative Kriterien festgelegt, etwa der Ausschluss von Unternehmen, deren Haupteinkünfte aus fossilen Brennstoffen oder Fracking stammen, ein normbasiertes Screening wie die Einhaltung des Global Compact als auch positive Kriterien. Die Finanzierung erfolgt über eine Kombination aus einer erweiterten CO2-Bepreisung und einer Nachlasssteuer, mit der wir eine CO2-Schuld abtragen können, da sie den akkumulierten Reichtum des fossilen Zeitalters umverteilt. Die Nachhaltigkeitsfonds der Pax-Bank gehen durchaus in die richtige Richtung und könnten noch stärker auf Nachhaltigkeit getrimmt werden.
Was kann der Einzelne tun, um Freiheit und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen?
Leggewie: Wir müssen lernen, im Futur II zu denken: Was werden wir 2030, 2050, 2100 vermutlich getan haben, um nachhaltig leben zu können? Damit werden Freiheitsspielräume zeitlich in ein Generationenverhältnis übersetzt, das reines Gegenwartsdenken vermeidet. Es werden ja auch neue Freiheitsräume eröffnet, indem man auf Optionen wie raschen Konsum
und freie Zeit aus freien Stücken verzichtet. Denn die Freiheit der Heutigen endet dort, wo die Freiheit der Künftigen anfängt.